Die Austrittswelle und Skandale zum sexuellen Missbrauch zeichnen ein deutliches Bild zur Wahrnehmung der Kirche: Enttäuschung bei Mitgliedern, Fehlverhalten auf vielen Ebenen, Ignorieren der Tatsachen und ein akutes Desinteresse gegenüber den Betroffenen. Die Wellen schlagen hoch und Bettina Böttinger fragte nach. In der Live-Sendung des WDR „Ihre Meinung“ vom 25.03.2021 waren Menschen zu Gast, die Berührungspunkte mit der Kirche haben. Von Würdenträgern der beiden großen Kirchen, Pastoren und Pfarrer, Gläubige, Vertreter der Betroffenen und Missbrauchsopfer, Religionslehrer und Menschen, die sich in der kirchlichen Arbeit engagieren, waren die Gesprächspartner).
Mit der Frage: „Austrittswelle und harsche Kritik: Ist die Kirche noch zu retten?“ ging es nicht nur um den Missbrauchsskandal, sondern auch um den Reformbedarf verkrusteter Strukturen, Maria 2.0, eine zeitgemäße Sprache und die lebensferne Realität, in der sich die Kirche immer noch bewegt.
Mit bekannten und weniger bekannten Namen präsentiert diese interessante Sendung sehr differenzierte Meinungen von Menschen, die für und in der Kirche arbeiten.
Anmerkung der Redaktion im September 2024: Leider ist die Sendung auch auf YouTube nicht mehr verfügbar.
Wir Frauen kennen das: Rasiererkauf im Drogeriemarkt. Während es für Männerrasierer oft gute Angebote und Preisnachlässe gibt, bleiben diese Schnäppchen bei den Frauenprodukten aus. Stefanie Diemand berichtet in der FAZ vom 01.03.2021 von ihrer Recherche. Der Artikel „Pink ist eine teure Farbe“ macht deutlich, dass das sogenannte „Gender Pricing“ bei Verbraucher:innen nicht gut ankommt. Ist die Preisbildung nach Geschlecht, auch „Pink Tax“ genannt, eine Diskriminierung oder handelt es sich nur „eine laufend angepasste Preisfindung“, weil höhere Aufwände bzw. Kosten in der Kalkulation berücksichtigt werden?
Während Verbraucher:innen bei einigen Produkten noch die Wahl haben, ob sie das Männer- oder Frauenprodukt kaufen, ist das spätestens bei Dienstleistungen wie Reinigung von Damenblusen/Herrenhemden und beim Friseurbesuch keine Option mehr.
Eine Ausnahme gibt es – die ist allerdings erstaunlich und auch nicht so einfach zu erklären. Bei Datingportalen bezahlen Männer im Vergleich fast den dreifachen Preis. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Stefanie Diemands branchenübergreifende Recherche bringt erstaunliche Unterschiede ans Licht, die wir Dir nicht vorenthalten wollen. Daher empfehlen wir Dirt den gesamten Artikel zum Pink Tax zu lesen.
Im Stern Interview von Wiebke Tomescheit berichtet die Gründerin des FemTech-StartUps „Elvie“ von ihrem Weg, die Frauengesundheit in den Fokus zu rücken.
Ihre erste Schwangerschaft hat der Britin Tania Boler deutlich gemacht, wie sehr Frauen nach der Geburt mit ihren gesundheitlichen Problemen alleine gelassen werden. Durch einen Pilates-Kurs in Frankreich, wo sie während ihrer Schwangerschaft mit ihrem französischen Mann lebte, wurde sie auf die Wichtigkeit des Beckenbodens aufmerksam und hat sich umfassend informiert. „Frauen werden kaum auf mögliche Geburtsrisiken, wie Blasenschwäche oder einem Gebärmuttervorfall hingewiesen.“ erkannte sie da. Ein Blick in die Statistiken machte ihr klar, dass man dieser „unsichtbare Epidemie“ begegnen kann, indem man Frauen über die Funktion ihres Beckenbodens aufklärt und ihnen Möglichkeiten aufzeigt, ihn zu trainieren. Grundsätzlich braucht es dafür praktikable Ansätze und niedrige Hürden, wie z. B.:
nicht irgendwohin gehen zu müssen,
mit geringem Zeitaufwand verbunden zu sein,
zuhause nebenbei andere Dinge erledigen zu können,
Spaß dabei zu haben und leicht benutzbar zu sein.
Ihre Idee vom Elvie Beckenbodentrainer gewann einen Innovationswettbewerb, der mit 100.000 Pfund dotiert war. Für sie war das die offizielle Bestätigung, dass sie auf dem richtigen Weg ist. Das FemTech-StartUP Elvie und die entwickelten Produkte verschob den Fokus der Benutzerinnen: weg von ihren Gesundheitsproblemen, hin zum Lifestyle. Die Produkte bieten die Möglichkeit, selbst aktiv zu werden: mit einem schönen Design – von Frauen für Frauen – und zukunftsweisender Technologie, damit das Leben einfacher wird.
Das ganze Interview von Wiebke Tomescheit liest Du im Stern vom 11.03.2021
Hinweis der Redaktion In Deutschland ist der Elvie Trainer bei Frauenärtz:innen als Hilfsmittel auf Rezept erhältlich. Weitere Informationen haben wir für Dich hier zusammengestellt.
„Kannst Du Dich an das Gefühl erinnern, als Du das letzte Mal gezeichnet oder Figuren aus Knete geformt hast?“ Die meisten Menschen, denen ich diese Frage stelle, bekommen zwar einen wehmütigen Blick, schütteln aber den Kopf. „Schade“, denke ich, denn mir hilft kreatives Arbeiten beim Abschalten und beim Stressabbau. Male ich an einem Bild, egal ob mit Acryl, Pastellkreide oder einfach nur mit Buntstiften kommen meine Gedanken endlich zur Ruhe und ich lande ganz bei mir: Das ist Entspannung für die Seele. Das Ergebnis ist nicht wichtig, wichtig ist die innere Freude, die beim Erschaffen mit den eigenen Händen entsteht.
Die Pandemie hält uns weiter in ihrem festen Griff und es ist wichtiger denn je, sich Zeit für sich zu nehmen und aus dem Alltag auch mal auszusteigen. Viele Menschen können das mit kreativen Tätigkeiten, doch das haben wir im Laufe der Zeit einfach vergessen. Die Knete hatte doch auch immer so einen besonderen Geruch…
Kreativ mit alltäglichen Dingen
Ich lade Dich ein: Nimm Dir Zeit für Dich, denn Du bist wichtig! Mache etwas Kreatives und Du wirst sehen, dass es Dir gut tun wird. Ausreden gibt es nicht, denn Du brauchst nichts Besonderes. Für die folgenden Ideen kannst Du einfache Dinge aus Deinem Haushalt nehmen, um Dir eine Auszeit zu gönnen.
Das Kaffee-Bild
Das brauchst Du:
löslichen Kaffee
Wasser
Pinsel
Weißes Papier, wie z. B. einen Malblock (gut wäre eine Stärke von mind. 80 g / m2)
Malwasser
Aus den Kaffeekörnchen und Wasser machst Du Dir ein eher dickflüssiges Gemisch und dann kann es auch schon losgehen …. Mit mehr Wasser ist der Braunton heller und durch mehrschichtiges Malen kannst Du eine dunklere Farbe erhalten.
Wie Du siehst kannst Du ein abstraktes Bild oder auch eine Fantasielandschaft malen, ganz wie es Dir gefällt.
Mein Tipp:
Wenn Du mit Kaffee und Wasser malst, lass einen Rand stehen, der trocken bleibt. Dann wellt sich das Papier während des Malens nicht so sehr und ist – nachdem es getrocknet ist – wieder glatt.
Willst Du weitere Farben in das Bild einbringen, kannst Du Dir diese mit Gewürzen wie Zimt, Paprika oder Curry anrühren. Dazu nimmst Du etwas Wasser und ein Gewürz mit Farbe Deiner Wahl und vermischt es, wie beim Kaffeepulver.
Schnurbild mal anders
Vielleicht macht Dir das Hantieren mit Wolle oder Schnüren mehr Spaß. Das ist mein zweiter Vorschlag. Diesmal geht es um ein Bild, dem Du sozusagen beim Wachsen zusehen kannst.
Das brauchst Du:
bunte Wolle oder Schnur in verschiedenen Farben oder Stärken
Bastelkleber oder (falls vorhanden) doppelseitiges Klebeband
eine kleine Schere
als Unterlage ein Stück Karton
Die Größe des Kartons definiert die Größe Deines Bildes. Wenn Du etwas Abstraktes gestalten willst, kannst Du einfach loslegen. Streiche Deine Fläche mit Bastelkleber ein, am besten immer nur kleinere Bereiche und klebe dann deine Schnüre auf, die Du in Spiralen oder auch in parallelen Linien aufbringen kannst. Bei doppelseitigem Klebeband beklebst Du die Fläche, löst jedoch die Schutzfolie in Etappen.
Möchtest Du ein konkretes Bild machen, ist es leichter, wenn Du Dir vorher eine Skizze machst und dann Feld für Feld beklebt.
Mein Tipp:
Fang intuitiv an einer Stelle an und lege verschiedene Formen und Strukturen. Du wirst hinterher überrascht sein, was dabei herauskommt.
Einen weiteren Vorschlag habe ich noch für Dich.
Kaltporzellan – nicht nur ein Spaß für Kinder
Eine andere Form der Kreativität ist das dreidimensionale Erschaffen mit den eigenen Händen und Werkzeugen, die aus der Besteckschublade kommen. Ein Kaltporzellan-DIY-Kit bietet auch Erwachsenen viel Spaß und gibt neue Impulse. Zum einen gibt es Dir den Freiraum, indem es Deine Kinder beschäftigt, zum anderen bietet es Deinen Kindern viel Raum für Fantasie, zum Spielen und zur Verbesserung der feinmotorischen Fähigkeiten. Kinder ab drei Jahren können sich – auch ohne Aufsicht der Eltern – damit beschäftigen.
Kaltporzellan – was ist das?
Kaltporzellan ist eine Art Knetmasse, die sich leicht verarbeiten lässt und an der Luft aushärtet.
Du kannst das Material im Internet bestellen, wobei ich die beste Erfahrung mit dem von mir – in Zusammenarbeit mit einem Jugendhaus entwickelten – selbst hergestellten Kaltporzellan gemacht habe. Es besteht aus haushaltsüblichen Zutaten wie Natron, Wasser, Speisestärke und Speisefarbe und ist eine kostengünstige Alternative zu fertigen Knetmassen. Der große Vorteil ist, dass die erschaffenen Werke nach der Trocknung haltbar sind und beispielsweise verschenkt werden können. Ich arbeite bereits an weiteren DIY-Sets, die andere kreative Seiten ansprechen und in den nächsten Wochen auch zum Versand bereitstehen.
Mein Tipp:
Wichtig – lege das Kaltporzellan nicht zum Trocknen auf die Heizung, sonst reißt die Masse!
Bei all meinen Vorschlägen geht es nicht um eine Bewertung der Ergebnisse. Ich möchte Dir an die Hand geben, dass der Schaffensprozess das ist, was Dir gut tut und wünsche Dir beim Ausprobieren viel Freude und Entspannung, eine gelungene Auszeit vom Alltag.
Kreativität kennt keine Altersbeschränkung.
– Irene Anding
Wie ist es Dir ergangen? Ich freue mich über Deine Erfahrung, Kommentare oder weitere Fragen in den Kommentaren.
Herzliche Grüße
Deine Irene
Die Autorin: Irene Anding – Atelier für Lebensfreude
Die ausgebildete Kunsttherapeutin bietet in ihrem Atelier für Lebensfreude allen Interessierten den Raum und die Möglichkeit, sich künstlerisch zu betätigen und neue Erfahrungen im kreativen Bereich zu machen. Vom „normalen“ Malen auf Leinwand über Filzen, Skulpturen-, Seifen- und Papierherstellung bis zum Action-Painting bietet sie eine breite Palette kreativer Selbstverwirklichung an. Ob Kindergeburtstage, Gruppenevents oder ArtNights, sie begleitet ihre Kunden individuell auf dem Weg zu einem eigenen oder einzigartigen Kunstwerk. Ihr ist es wichtig, den Raum für eine Auszeit vom Alltag anzubieten: zum Abschalten, zum Runterkommen, um sich selbst spüren können, um sich damit selbst ein Geschenk zu machen.
Kontakt:
Atelier für Lebensfreude Irene Anding Jagdstr. 7 (Rückgebäude) 90419 Nürnberg M 0157 87305523 E-Mail: info@irene-anding.de www.irene-anding.de
Der boomende Online-Handel treibt die Betrugsfälle in die Höhe und die Tendenz steigt weiter, weil aufgrund der Pandemie viel mehr online bestellt wird. Im Jahr 2019 wurden von den deutschlandweit angezeigten 57.530 Betrugsfällen nicht einmal 30% aufgeklärt. Die ZDF Dokumentation (leider ist das Video nicht mehr verfügbar) von Maja Helmer macht deutlich, wie einfach es ist, Identitäten zu missbrauchen und wie schnell jeder zu einem Betrugsopfer werden kann!
Die Krux mit den Prioritäten
Mit verschiedenen Stellschrauben kann dem Bestellbetrug entgegengewirkt werden, doch die Interessenslage „Umsatz“ spricht dagegen. Die Hürde zum Kaufabschluss klein zu halten, ist das Ziel der Online-Händler und dazu wird häufig der riskante „Kauf auf Rechnung“ angeboten. Betrug ist dabei besonders einfach, weil wenige Daten zum Bestellen ausreichen, die nicht überprüft werden. Eine weitergehende Identifizierung des Bestellers ist seitens der Gesetzgebung auch nicht vorgeschrieben und zudem für die Händler sehr kostenaufwendig.
Die Folge: Unberechtigte benötigen nur wenige persönlichen Daten, um eine illegale Bestellung durchzuführen.
Im Darknet werden illegale Datensätze aus Phishing-Aktionen z. B. für PayPal Kunden ab 10 $ angeboten, mit Namen, Adressen, Bankverbindungen und Passworten. Mit diesen Angaben wird das Shoppen für einen Betrüger einfach, zumal die Identität nicht hinterfragt wird. Leidtragend sind die ahnungslosen Kunden, die erst dann mit der Realität konfrontiert werden, wenn Zahlungsaufforderungen von Anwälten und Inkassobüros ins Haus flattern.
Deutschland: Das schwächste Glied
Der Beitrag „Gestohlene Identität – Auf der Spur der Online-Betrüger“ macht deutlich, dass in Deutschland vergleichsweise schwache Sicherheitsvorkehrungen herrschen. Sowohl das Bundesfinanz- als auch das Bundeswirtschaftsministerium setzen aktuell auf freiwillige Lösungen. Somit werden dem Online-Handel keine höheren Vorgaben gemacht, obwohl die Justiz mit den steigenden Fallzahlen an ihre Grenzen stößt.
Der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland e.V. sieht ebenfalls keinen Bedarf für erhöhte Sicherheitsvorkehrungen, denn die Betrugsfälle bewegen sich im Promille-Bereich. Maja Helmer zeigt, dass selbst die großen Zahlungsanbieter nur begrenzte Möglichkeiten haben. Zahlungsdienstleister wie z. B. Ratepay, Billpay oder Klarna übernehmen für Online-Händler zwar das Ausfallrisiko, doch auch ihnen fällt es schwer, die echten Käufer von den Bestell-Betrügern zu unterscheiden.
Immerhin konnte die Staatsanwaltschaft Dresden im Jahr 2018 nach fast 6 Jahren Arbeit einen internationalen Online-Bestell-Betrüger-Ring sprengen, der den deutschen Online-Handel um 13 Mio. Euro betrogen hat. Doch diese Erfolge sind selten.
Die Macht der potenziellen Opfer
Was sind die Folgen für die Betroffenen, den Opfern des Bestellbetrugs? Monatelang müssen sie Zeit, Geld und Nerven investieren, um sich gegen die unberechtigten Vorwürfe zu wehren und um gegen Anwälte und Inkassobüros anzugehen. Ein daraus resultierender schlechter Schufa-Eintrag kann weitreichende Folgen haben.
Was lässt sich also tun? Bessere Passwörter und die Aktivierung der 2-Faktor-Authentifizierung (sofern das angeboten wird) sind zumindest Möglichkeiten, die jeder für seine Sicherheit umsetzen kann. Auch kann das eigene Kaufverhalten auf den Prüfstand gestellt werden und der Fokus auf höhere Sicherheitsstandards gelegt werden.
Jeder Käufer hat die Macht, mit seinem Einkaufsverhalten Dinge zu verändern. Ich möchte meine Macht nutzen: Ich richte mein Augenmerk auf die Sicherheit des Online-Shops und nicht mehr auf ein einfaches Bestellerlebnis.
Andrea Hitzke ist Sozialarbeiterin und leitet seit 2012 die Dortmunder Mitternachtsmission e.V., die eine Beratungsstelle für Prostituierte, ehemalige Prostituierte und die Opfer von Menschenhandel unterhält. Der Verein ist bundesweit anerkannt und Mitglied im Dachverband des Diakonischen Werks.
Hallo Andrea, herzlichen Dank für Deine Zeit, uns ein Interview zu geben. Bitte erzähle unseren Leser:innen, was macht die Mitternachtsmission eigentlich?
Die Dortmunder Mitternachtsmission e.V. macht sich für die sozialrechtliche Gleichstellung aller in der Prostitution arbeitenden Menschen und für die Beendigung von Diskriminierung und Kriminalisierung stark. Wir helfen unseren Klient:innen, ein gesundes, selbstbestimmtes, eigenverantwortliches Leben in Sicherheit zu führen. Sie sollen sich frei von Angst bewegen und ihre Entscheidungen ohne finanzielle und emotionale Abhängigkeit treffen können.
Wir sind ein kleiner gemeinnütziger Verein, der im Jahr 1918 gegründet wurde. Wir missionieren nicht. Wir verstehen unseren Namen als Auftrag: wir beraten und unterstützen Menschen, die in der Sexarbeit tätig sind, helfen jenen beim Ausstieg, die eine andere berufliche Perspektive wollen, und wir bieten Schutz und Hilfe für Betroffene von Menschenhandel und Zwangsprostitution.
Der Schwerpunkt der Arbeit mit Prostituierten liegt in der aufsuchenden Sozialarbeit, das heißt Streetwork an den Orten wo Sexdienstleistungen angeboten werden, wie z. B. auf der Straße, in Clubs oder Bordellen.
Unsere Arbeit besteht aus zwei Hauptbereichen, die wir unbedingt getrennt sehen: Die Arbeit mit Prostituierten und die Hilfen für Opfer von Menschenhandel.
Ein weiterer wichtiger Bereich ist das Hilfeangebot für Kinder und Jugendliche, die der Prostitution nachgehen. Das Angebot überschneidet sich zwar mit der Prostituiertenhilfe und der Hilfe für Opfer von Menschenhandel, doch die Minderjährigkeit der Zielgruppe schafft andere Rahmenbedingungen, daher betrachten wir diesen Bereich separat.
Die Prostituiertenhilfe umfasst sowohl die Beratung und Unterstützung von Menschen, die sich aus unterschiedlichsten Gründen freiwillig für die Sexarbeit entschieden haben, als auch Hilfe für diejenigen, die aus dem Milieu aussteigen wollen.
In der Prostitution arbeitende Menschen sehen sich häufig Diskriminierungen ausgesetzt und sind aus diesem Grund eher misstrauisch. Wie erreicht ihr die Prostituierten?
Unsere Streetworkerinnen sind ausgebildete Sozialarbeiterinnen und Pädagoginnen. Wir gehen dort hin, wo die Prostitution stattfindet. Wir kommen ins Gespräch mit den Frauen und bauen Vertrauen auf. Wir beraten vor Ort und bieten Hilfe an. Wir verteilen Kondome und klären im Bereich sexuell übertragbarer Infektionen auf. Wir helfen natürlich auch, wenn wir von Männern oder Transgender-Personen aus der Zielgruppe angesprochen werden.
Vor Corona waren wir zu unterschiedlichen Tages- und Nachtzeiten in den Clubs, Bars und Bordellen und auf dem Straßenstrich unterwegs, um mit den Sexarbeiter:innen zu sprechen. Mit dem Einsatz von mehrsprachigen Mitarbeiterinnen versuchen wir Sprachbarrieren zu überwinden und auch Prostituierte ohne Deutschkenntnisse zu erreichen.
Jetzt ist Coronazeit und das Kontaktverbot hat das gesamte Milieu lahmgelegt. Wie hast Du diese Einschnitte wahrgenommen und wie hat sich die Arbeitsweise verändert?
Das Corona bedingte Kontaktverbot hat die Prostitution zum Erliegen gebracht. Sexuelle Dienstleistungen sind verboten und die meisten Prostituierten haben seit März 2020 keinerlei Einkünfte mehr. Die Verzweiflung bei den Betroffenen ist unfassbar. Viele haben ihre Rücklagen aufgebraucht, um die Familie weiter ernähren zu können. Wertsachen werden verkauft, um über die Runden zu kommen. Wer seine Scham überwunden hat, konnte anfangs noch recht einfach einen Hartz IV Antrag stellen. Nun sind die Bedingungen für einen Sozialleistungsbezug deutlich schwieriger geworden. Teilweise werden Nachweise verlangt, die die Sexarbeiter:innen nicht beibringen können. Somit fallen sie aus dem Sozialleistungsbezug raus. Dies gilt auch für die Soforthilfen für Soloselbständige.
Ohne Hart IV fehlen sämtliche Einkünfte, die Miete kann nicht mehr bezahlt werden und Obdachlosigkeit ist eine der Folgen. Andere haben sich Geld leihen müssen und sind in Schuldenfallen geraten. Viele arbeiten illegal und unter unsicheren Arbeitsbedingungen, um ihre Familien versorgen zu können.
Einige Bordellbetriebe haben den wohnungslos gewordenen Prostituierten ihre Zimmer kostenlos zur Verfügung gestellt, damit sie eine sichere Unterkunft haben. Das ist ein Lichtblick, zumal die Betreiber:innen ja ebenfalls keine Einnahmen generieren können.
Mit dem Lockdown mussten wir unsere Arbeit umstrukturieren. Die Besuche vor Ort in den Clubs und Bordellen waren nicht mehr möglich, da sie geschlossen sind. Der Beratungs- und Unterstützungsbedarf war aber sehr hoch. Um auch die Mitarbeiterinnen zu schützen, wird Beratung überwiegend telefonisch oder per E-Mail durchgeführt, wenn das möglich ist. Das funktioniert aber nicht immer, so dass eine Face-to-Face Beratung notwendig ist. Dann können Termine vereinbart werden, entweder in der Beratungsstelle oder z. B. bei Hausbesuchen oder bei Beratungsspaziergängen. In der Beratungsstelle arbeiten wir nach einem Arbeitsplan und sonst im Homeoffice.
Was sind die Gründe für den Einstieg in die Prostitution und worum geht es bei der nachgehenden Ausstiegshilfe für Prostituierte?
Einige Frauen entscheiden sich aus einer finanziellen Notlage heraus, in den Dienstleistungssektor zu gehen. Oft wissen die Angehörigen nichts davon und die Prostituierten sehen sich ständig der Gefahr ausgesetzt, dass die Tätigkeit entdeckt wird. Dann müssen sie mit Diskriminierung und Verachtung rechnen.
Häufig geht es auch um die Beschaffung von Geldmitteln für den Kauf von Drogen. Diese Frauen sehen sich selbst nicht als Sexarbeiterinnen. Sie entscheiden sich für diesen Weg an Geld zu kommen, statt Raubüberfälle zu begehen und damit in die Beschaffungskriminalität zu rutschen.
Mit der nachgehenden Ausstiegshilfe unterstützen wir Frauen, die aus der Prostitution aussteigen wollen oder bereits ausgestiegen sind. Wir begleiten z. B. bei Behördengängen, unterstützen bei der Jobsuche und führen die Begleitung der Frauen auch über einen längeren Zeitraum durch.
Aktuell gibt es eine hitzige Diskussion um das „Schwedische Modell“. Was ist das und wie stehst Du dazu?
Das „Schwedische Modell“ soll Prostitution verhindern, indem u. a. der Kauf von sexuellen Dienstleistungen unter Strafe gestellt wird, um die Frauen vor Gewalt zu schützen. Wir fürchten, dass bei einer Einführung dieses Modells die Prostituierten in ein Dunkelfeld und die Illegalität gedrängt werden, sich die Arbeitsbedingungen verschlechtern und das Risiko für die Sexarbeiter:innen steigt, Opfer von Gewalt, Ausbeutung und Menschenhandel zu werden. Die Nachfrage wird dadurch nicht verschwinden. Die Kontaktaufnahme durch das Unterstützungssystem wäre nur noch sehr schwierig oder gar nicht möglich. Man könnte das Modell mit der Prohibition vergleichen. Wem hat sie letztendlich genutzt? Aufgrund der nicht versiegenden Nachfrage konnte die Mafia hohe Gewinne erzielen.
Liebe Andrea, herzlichen Dank für den Einblick in den Bereich der Prostituiertenhilfe. Wir wünschen Dir und Deinem Team weiterhin viel Erfolg.
Hinweis der Redaktion: Teil 2 des Interviews, in dem es um die Opfer von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und Zwangsprostitution geht, erscheint demnächst in diesem Magazin.
Kontakt zur Dortmunder Mitternachtsmission e.V.
Dortmunder Mitternachtsmission e. V. Dudenstraße 2-4 44137 Dortmund Tel.: 0231/14 44 91 Website: http://mitternachtsmission.de/