Der Schlaganfall bei Frauen

Der Schlaganfall bei Frauen

Ein Schlaganfall kommt häufiger vor als man vielleicht denkt und reißt Menschen aus ihrem gewohnten Leben. Die Erkrankung wird die Zukunft der Gesellschaft stark prägen, da sie weltweit die zweithäufigste Todesursache und führend bei den Ursachen für langfristige Behinderungen ist.[1] Es gibt unterschiedliche, geschlechtsspezifische Risikofaktoren und Ursachen, die Prognosen beeinflussen.

Was ist ein Schlaganfall?

Ein Schlaganfall ist entweder ein Hirninfarkt (ischämischer Schlaganfall) oder eine Hirnblutung (hämorrhagischer Schlaganfall). Ein Hirninfarkt wird durch den Verschluss einer Hirnarterie verursacht, wobei hinter dem Gefäßverschluss ein Sauerstoffmangel entsteht und Hirnnervenzellen in Folge absterben. Bei einer Hirnblutung reißen Hirnarterien, wobei zwischen einer subarachnoidal Blutung (Aneurysmablutung in das Hirnnervenwasser) und einer Blutung in das Hirngewebe (intraparenchymale Blutung) unterschieden wird.

Das Schlaganfallrisiko im Vergleich

Weltweit gesehen gibt es 57 Prozent weibliche und 43 Prozent männliche Schlaganfallpatienten. Das größere Risiko an einem Schlaganfall zu erkranken haben zwar die Männer, aber da weibliche Personen durchschnittlich älter werden, gibt es insgesamt mehr Frauen, die an einem Schlaganfall erkranken. Wird die längere Lebensdauer von Frauen nicht berücksichtigt, sind Männer häufiger davon betroffen.[2]

Im Durchschnitt erleiden Frauen erst mit 75 Jahren einen Schlaganfall, also etwa 10 Jahre später als Männer. In Deutschland liegt die Wahrscheinlichkeit im Alter von 40 bis 79 Jahren betroffen zu sein bei Frauen etwas niedriger (2,5 Prozent) als bei Männern (3,3 Prozent).[3] Doch im Alter von über 80 Jahren nimmt die Anzahl der Frauen, die von einem Schlaganfall betroffen sind, deutlich zu.

Interessanterweise haben Männer – unabhängig vom Alter – das doppelt so hohe Risiko an einer Hirnblutung zu erkranken. Das liegt sehr wahrscheinlich am häufigen Risikofaktor Bluthochdruck bei Männern.[5]

Geschlechterspezifische Risikofaktoren

Aufgrund des einzigartigen hormonellen Wechselspiels bei Frauen gibt es geschlechtsspezifische Risikofaktoren. Sowohl der Zeitpunkt der Menopause als auch Schwangerschaftsverläufe oder das Stillverhalten bei Müttern haben einen Einfluss auf das Schlaganfallrisiko im späteren Leben.

Risikofaktoren können sein:[4][5]

  • späte Menopause ab 55 Jahre
  • Schwangerschafts-Bluthochdruck
  • Früh- und Totgeburten
  • kein Stillen
  • Einnahme von Hormonpräparaten, wie der Pille oder eine Hormonersatztherapie (insbesondere in Verbindung mit Rauchen oder bei Übergewicht)

Typische Ursachen, Anzeichen und Symptome

Frauen mit einem Schlaganfall haben vorher häufig Vorhofflimmern, das ist eine Herzrhythmusstörung, die im höheren Alter auftritt. Weibliche Patienten haben hingegen seltener die typischen Risikofaktoren, wie Bluthochdruck oder Hypercholesterinämie (erhöhte Blutfette).[6] Interessanterweise gehen die Verläufe mit Vorhofflimmern mit mehr neurologischen Ausfällen einher als bei männlichen Schlaganfallpatienten.

Haben Frauen jedoch einen hohen Bluthochdruck, steigt das Risiko über das der Männer.[7] Eine besondere Risikogruppe sind Frauen mit Diabetes. Die Erkrankung verdoppelt das Schlaganfallrisiko.[8]

Frauen haben nicht nur häufiger Migräne, sondern auch ein höheres Schlaganfallrisiko als männliche Migränepatienten. Bei der Sinusvenenthrombose (Sonderform des Schlaganfalls) sind häufiger junge Frauen betroffen.

Doch generell haben alle Patient:innen die gleichen klassischen Symptome. Darunter zählen Halbseiten- und Gesichtslähmungen, Sprach- sowie Sprechstörungen und Gangstörungen mit Schwindel.

Studien haben jedoch gezeigt, dass Frauen ihre Schlaganfallsymptome anders beschreiben und gelegentlich unspezifische Vorboten oder seltene Zusatzsymptome haben. Dazu zählen:[9]

  • Kopf- oder Gliederschmerzen
  • Übelkeit
  • Verwirrtheit
  • Harninkontinenz
  • Schluckbeschwerden

Unterscheidungsmöglichkeiten

Die klassischen Schlaganfallsymptome, wie Halbseitenlähmung oder Sprachstörung, in Kombination mit den unspezifischen Vorboten bedürfen immer einer ärztlichen Abklärung. Außerdem sind plötzlich einsetzende „Donnerschlagkopfschmerzen“ sowie unbekannte oder nicht auf Schmerztabletten ansprechende Kopfschmerzen – im Zusammenhang mit den unspezifischen Symptomen – höchstverdächtig auf eine Hirnblutung.

Wichtig zu wissen ist, dass eine Migräne mit neurologischen Ausfällen wie Sprachstörung oder Kribbeln in den Armen einhergehen kann. Dieses Phänomen wird Aura genannt, kommt typischerweise vor den pochenden Migränekopfschmerzen und dauert maximal 30 Minuten an.

Natürlich kann man nur zwischen einem Schlaganfall oder Migräne unterscheiden, wenn man in der Vergangenheit bereits Migränekopfschmerzen ohne Aura hatte. Sogenannte positiv Symptome, das heißt Flimmern oder Farbsehen über bzw. vor den Augen, sind ebenfalls typisch für eine Migräne-Aura, während ein Schlaganfall immer eine negative Symptomatik in Sinne von schwarzen Flecken oder Gesichtsfeldausfällen (Hemianopsie) bewirkt.

Folgen und Prognose bei Schlaganfallpatient:innen

Die Krankenhaussterblichkeit von Frauen und Männer ist identisch. Weil Frauen beim Schlaganfall älter und schwerer betroffen sind, erholen sie sich schlechter und kommen seltener selbständig in den Alltag zurück.[10] Durch das Vorhofflimmern entstehen schwerere Schlaganfälle mit mehr Defiziten, weil große Hirnarterien durch ein Gerinnsel aus dem Herzen verstopfen. Bei Frauen wird deswegen im Verlauf häufiger die Post-Schlaganfall-Depression diagnostiziert.

Bei weiblichen Patienten wird der Schlaganfall erst bis zu dreimal später diagnostiziert, weil sie aufgrund des hohen Erkrankungsalters häufiger allein leben. Außerdem verharmlosen Frauen oft ihre Schlaganfallsymptome und rufen erst spät den Notarzt.

Therapie bei einem Schlaganfall

Sowohl die starke Blutverdünnung (Lysetherapie) zum Auflösen eines Gerinnsels, als auch die Thrombektomie (Katheter zum Bergen des Gerinnsels) wirken gleich effektiv bei Frauen und Männern.[11]

Ebenfalls konnte kein Unterschied bei den blutverdünnenden Medikamenten zum Schutz vor einem zweiten Schlaganfall (Sekundärprophylaxe) wie Thrombozytenaggregationshemmern („leichte Blutverdünnung“) oder „starken Blutverdünnern“ (orale Antikoagulation) gefunden werden.

Zusammenfassend

Frauen erleiden später und größere Schlaganfälle, dabei ist Vorhofflimmern als Schlaganfallursache bei ihnen häufiger als bei männlichen Patienten. Aufgrund des höheren Erkrankungsalters und den schwerwiegenderen neurologischen Ausfällen durch den Gefäßverschluss bei Vorhofflimmern, erholen sich Frauen schlechter von einem Schlaganfall.

Der Rat der Redaktion
Verharmlosen Sie Ihre Symptome nicht, melden Sie sich sofort unter der Notfallnummer 112 oder rufen Sie Familienmitglieder zur Hilfe – lieber einmal zu viel als einmal zu wenig. In vielen Städten gibt es sogenannte Stroke-Units, die auf Schlaganfälle und ihre Behandlung spezialisiert sind. Hier sind Sie gut aufgehoben und werden adäquat behandelt.


Der Autor: Dr. Lucas Halbmayer, Betreiber der Website „www.schlaganfall-wissen.de“

Lucas-Michael Halbmayer ist Facharzt für Neurologie und in der Rehabilitation, insbesondere von Schlaganfallpatient:innen, spezialisiert. Er betreibt die Website www.schlaganfall-wissen.de um sowohl Betroffenen als auch Angehörigen während und nach einem Schlaganfall zu helfen.

Kontaktdaten:

Dr. Lucas-Michael Halbmayer
Schlaganfall Wissen, Hilfe und Beratung
Gumpendorfer Str 142
1060 Wien

E-Mail

Website: www.schlaganfall-wissen.de


Fußnoten:

[1] Lopez AD, Mathers CD, Ezzati M, Jamison DT, Murray CJ. Global and regional burden of disease and risk factors, 2001: systematic analysis of population health data. Lancet. 2006 May 27;367(9524):1747-57. doi: 10.1016/S0140-6736(06)68770-9. PMID: 16731270.

[2] Bushnell CD, Chaturvedi S, Gage KR, Herson PS, Hurn PD, Jiménez MC, Kittner SJ, Madsen TE, McCullough LD, McDermott M, Reeves MJ, Rundek T. Sex differences in stroke: Challenges and opportunities. J Cereb Blood Flow Metab. 2018 Dec;38(12):2179-2191. doi: 10.1177/0271678X18793324. Epub 2018 Aug 17. PMID: 30114967; PMCID: PMC6282222.

[3] Busch MA, Schienkiewitz A, Nowossadeck E, Gößwald A. Prävalenz des Schlaganfalls bei Erwachsenen im Alter von 40 bis 79 Jahren in Deutschland: Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1) [Prevalence of stroke in adults aged 40 to 79 years in Germany: results of the German Health Interview and Examination Survey for Adults (DEGS1)]. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz. 2013 May;56(5-6):656-60. German. doi: 10.1007/s00103-012-1659-0. PMID: 23703483.

[4] Poorthuis MH, Algra AM, Algra A, Kappelle LJ, Klijn CJ. Female- and Male-Specific Risk Factors for Stroke: A Systematic Review and Meta-analysis. JAMA Neurol. 2017 Jan 1;74(1):75-81. doi: 10.1001/jamaneurol.2016.3482. PMID: 27842176.

[5] Peters SAE, Yang L, Guo Y, Chen Y, Bian Z, Du J, Yang J, Li S, Li L, Woodward M, Chen Z. Breastfeeding and the Risk of Maternal Cardiovascular Disease: A Prospective Study of 300 000 Chinese Women. J Am Heart Assoc. 2017 Jun 21;6(6):e006081. doi: 10.1161/JAHA.117.006081. PMID: 28637778; PMCID: PMC5669201.

[6] Emdin CA, Wong CX, Hsiao AJ, Altman DG, Peters SA, Woodward M, Odutayo AA. Atrial fibrillation as risk factor for cardiovascular disease and death in women compared with men: systematic review and meta-analysis of cohort studies. BMJ. 2016 Jan 19;532:h7013. doi: 10.1136/bmj.h7013. PMID: 26786546; PMCID: PMC5482349.

[7] Madsen TE, Howard G, Kleindorfer DO, Furie KL, Oparil S, Manson JE, Liu S, Howard VJ. Sex Differences in Hypertension and Stroke Risk in the REGARDS Study: A Longitudinal Cohort Study. Hypertension. 2019 Oct;74(4):749-755. doi: 10.1161/HYPERTENSIONAHA.119.12729. Epub 2019 Aug 13. PMID: 31405299; PMCID: PMC6741430.

[8] Peters SA, Huxley RR, Woodward M. Diabetes as a risk factor for stroke in women compared with men: a systematic review and meta-analysis of 64 cohorts, including 775,385 individuals and 12,539 strokes. Lancet. 2014 Jun 7;383(9933):1973-80. doi: 10.1016/S0140-6736(14)60040-4. Epub 2014 Mar 7. PMID: 24613026.

[9] Carcel C, Woodward M, Wang X, Bushnell C, Sandset EC. Sex matters in stroke: A review of recent evidence on the differences between women and men. Front Neuroendocrinol. 2020 Oct;59:100870. doi: 10.1016/j.yfrne.2020.100870. Epub 2020 Sep 1. PMID: 32882229.

[10] Gall S, Phan H, Madsen TE, Reeves M, Rist P, Jimenez M, Lichtman J, Dong L, Lisabeth LD. Focused Update of Sex Differences in Patient Reported Outcome Measures After Stroke. Stroke. 2018 Mar;49(3):531-535. doi: 10.1161/STROKEAHA.117.018417. Epub 2018 Feb 8. PMID: 29438087.

[11] Bushnell C, Howard VJ, Lisabeth L, Caso V, Gall S, Kleindorfer D, Chaturvedi S, Madsen TE, Demel SL, Lee SJ, Reeves M. Sex differences in the evaluation and treatment of acute ischaemic stroke. Lancet Neurol. 2018 Jul;17(7):641-650. doi: 10.1016/S1474-4422(18)30201-1. PMID: 29914709.