Ich bin Anfang sechzig und seit vielen Jahren geschieden – von meiner großen Liebe. Aber war sie es wirklich, die große Liebe? Sind wir nicht alle mal, mehr oder weniger verliebt? Wie wird aus dem Verliebtsein Liebe und wie wird diese Liebe groß?

Alles beginnt und die Welt steht still

Ich weiß noch genau, wie es war, als ich zum ersten Mal dachte: Das ist sie – die große Liebe. Dieses Gefühl, wenn das Herz bis zum Hals klopft, die Welt stillsteht. Er war groß, sportlich, gutaussehend … und 10 Jahre jünger als ich. Da waren sie, meine Schmetterlinge. Und sofort auch mein zweiter Gedanke: viel zu jung und unerfahren, das wird nie was mit uns. 

Wir Frauen neigen dazu, solche Momente zu analysieren – Männer erleben sie einfach anders. Für viele von ihnen ist die große Liebe weniger ein Feuerwerk, sondern das beruhigende Gefühl, angekommen zu sein. So war es auch bei mir: In meinem Bauch feierten Schmetterlinge eine Party und mein Mann war froh, nicht mehr nach einer Partnerin suchen zu müssen.

Meine Geschichte ist nur eine von vielen, genauer gesagt von vielen ähnlichen. Das ZDF ist der Frage „Was macht die große Liebe aus?“ nachgegangen. Die Dokumentation zeigt: Die große Liebe ist kein Ziel, an dem man ankommt, sondern eine Reise. Sie entsteht, wächst, verändert sich – und fordert. Denn sie lebt von Nähe, Vertrauen und dem Mut, sich immer wieder aufeinander einzulassen.

Romantik trifft Realität – Zahlen, die berühren

Trotz aller Dating-Apps, trotz Schnelllebigkeit glauben wir an die Liebe. Laut einer ZDF-Umfrage sagen 79 Prozent der Menschen in Deutschland, dass Liebe der wichtigste Grund für eine Partnerschaft ist. Das ist doch schön, oder? Gleichzeitig empfinden 67 Prozent, dass die Beziehungen anders sind als früher – offener, aber auch komplexer.

Liebe ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Sie braucht Zeit, Kommunikation und die Fähigkeit, mit Konflikten umzugehen. Sie macht Arbeit, verlangt Kompromisse. Für mich ist die große Liebe kein Dauerrausch gewesen, sondern dieses leise, verlässliche Gefühl, wahrgenommen zu werden – mit all meinen Stärken und Schwächen. Mein Mann beschrieb es nüchterner, aber nicht weniger tief: „Weil ich Dir vertraue, auch wenn ich still bin“, sagte er mir einmal. Vielleicht ist das der Kern: Wir fühlen unterschiedlich, aber wir meinen dasselbe.

Der Alltag – das Herzstück der großen Liebe

In der ZDF-Doku erzählen Paare, dass sich die wahre Liebe nicht in großen Gesten zeigt, sondern in den kleinen Momenten. In einem Kaffee am Morgen, im Blick über den Küchentisch, im Zuhören oder im Schweigen. Große Liebe ist oft erstaunlich unspektakulär – und gerade deshalb so stark.

Zahlen belegen das Bedürfnis nach Verlässlichkeit: 78 Prozent der Befragten glauben, dass die monogame Beziehung auch in Zukunft die wichtigste Form des Zusammenseins bleibt. Wir suchen Abenteuer, ja – aber wir sehnen uns nach einem Zuhause. Nach jemandem, der da ist, wenn der Alltag schwierig wird.

Männer sind da pragmatischer. Mein Mann sagte einmal: „Für mich ist große Liebe, wenn ich weiß, dass Du da bist – auch wenn wir beide gerade schweigen.“ Vielleicht steckt darin die (ganze) Wahrheit.

Zwischen Sehnsucht und Selbstbestimmung

Wir leben in einer Zeit, in der Liebe viele Gesichter hat. Offen, polyamor, monogam, lesbisch, schwul, digital – alles scheint möglich. Und doch sagen 66 Prozent der Befragten, dass die gesellschaftlichen Rollenbilder (aus der Zeit unserer Eltern) immer noch Druck erzeugen. Besonders junge Menschen spüren das: Sie sollen unabhängig sein und gleichzeitig tief lieben, frei bleiben und dennoch Nähe leben.

Ich kenne dieses Spannungsfeld nur zu gut. Man will stark sein und trotzdem weich, eigenständig und doch verbunden. Es ist nicht immer einfach, in dieser Mischung authentisch zu bleiben. Aber vielleicht macht genau das die Liebe heute aus, sie darf Freiheit und Verbindlichkeit zugleich sein.

Wenn die große Liebe sich verändert

Nicht jede große Liebe bleibt, wie sie begann. Manche trennen sich nach ein paar Jahren – in meinem Fall waren es vierzehn. Andere Paare trennen sich, manche finden sich wieder. In der ZDF-Sendung erzählte ein Ehepaar, das seit 30 Jahren zusammen ist: „Wir haben uns dreimal getrennt – und jedes Mal wieder füreinander entschieden.“ Das ist vielleicht das schönste Bekenntnis zur Liebe: Sie ist wandelbar, aber nicht flüchtig.

Manchmal sehne ich mich nach dem Anfang – nach diesem elektrischen Knistern, nach dem Gefühl, dass alles neu ist. Doch dann denke ich: Liebe muss nicht immer brennen. Manchmal reicht es, wenn sie wärmt. Und vielleicht ist das eine erwachsene Form der großen Liebe – die, die ruhig, beständig und frei von Drama ist.

Was bleibt, wenn die Schmetterlinge fliegen

Mein bester Freund sagte mir einmal: „Liebe ist wie ein Muskel. Wenn man sie nicht benutzt, verkümmert sie.“ Große Liebe ist kein Zufall, sie ist eine Entscheidung – immer wieder. Sie zeigt sich im Dranbleiben, im Vertrauen, im gemeinsamen Wachsen.

Wir sollten aufhören, die große Liebe mit Perfektion zu verwechseln, wir sind einfache Menschen, keine ausgereiften Maschinen. Liebe ist kein Film, kein endloser romantischer Film. Sie ist echt, manchmal unbequem. Sie kann laut sein oder leise, jung oder alt, zärtlich oder wild, aber ehrlich. Die große Liebe ist kein Zustand, den man einmal erreicht und dann immer hat. Sie ist eine Reise. Ein Abenteuer mit Anker.

Am Ende ist die große Liebe das, was bleibt, wenn die Schmetterlinge längst weitergeflogen sind – und man trotzdem lächelt, wenn man den anderen ansieht.

Er sagt es so: „Große Liebe ist, wenn sie nicht weggeht, obwohl sie könnte.“
Ich finde, schöner kann man es nicht sagen.

Für Dich, liebe Leserin: Erlaube Dir Junge-Mädchen-Romantik und Alltagstauglichkeit. Erlaube Dir Nähe und Eigenständigkeit. Es ist nicht die große Liebe, von der wir geliebt werden – wir lieben uns, wenn wir füreinander da sind.

Wenn Du diesen einen Menschen gefunden hast, bei dem Dein Herz ruhig wird – halte ihn fest, aber nicht mit Druck. Lass ihm Raum, die Luft zum Atmen, bleib selbst frei. Und wenn Du noch auf der Suche bist: Bleib offen, sei authentisch. Die große Liebe findet sich, wenn wir am wenigsten mit ihr rechnen.

Wenn Du einen Partner oder eine Partnerin an Deiner Seite hast, frag ihn oder sie ruhig: „Was bedeutet für dich große Liebe?“ Höre zu. Denn dieses Bild davon mag anders sein als Deins – aber womöglich ergänzen sich eure Bilder, eure Vorstellungen.

Ich hoffe, dieser Beitrag hat Dich inspiriert, Deine eigene Vorstellung von großer Liebe zu reflektieren. Denn sie ist nicht nur da draußen – sie ist auch hier, in Dir, in uns.

Herzliche Grüße,
Deine Redakteurin Iris


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