Mit dem englischen Begriff ‚Human Enhancement‘ werden Eingriffe in den gesunden menschlichen Körper bezeichnet mit dem Ziel, eine Verbesserung oder Erweiterung der physischen und psychischen Leistungen zu erreichen. Durch biotechnologische Anwendungen kann der Mensch die Grenzen seiner natürlichen Leistungsfähigkeit überschreiten.

Unfassbare Möglichkeiten

Durch den exponentiellen Fortschritt dieser biomedizinischen Anwendungen ist in den vergangenen Jahren unfassbar viel möglich geworden. „Unfassbar“ ist hier im wahrsten Sinne des Wortes gemeint: Die Vielfalt der Entwicklungen und die daraus entstehende Komplexität sind für die meisten Menschen in ihrem Lebensalltag nicht mehr überschaubar. Welche kulturellen Auswirkungen hat es aber, wenn es normal wird, Eingriffe in den gesunden Körper vorzunehmen, die rein der Leistungssteigerung dienen?

„Die Gewinner zukünftiger Kriege werden nicht diejenigen mit der fortschrittlichsten Technologie sein, sondern diejenigen, die in der Lage sind, die einzigartigen Fähigkeiten von Mensch und Maschine am effektivsten zu integrieren“, liest man beim Planungsamt der Bundeswehr zu einer Studie, die im Dezember 2020 veröffentlicht wurde.

Quelle: https://www.bundeswehr.de/de/organisation/weitere-bmvg-dienststellen/planungsamt-der-bundeswehr-/human-augmentation-verbindung-mensch-maschine-planungsamt-5016384

Von der Wiederherstellung zur Verbesserung

Forschung und Entwicklung werden häufig durch militärische Interessen vorangetrieben. Beim Human Enhancement kommen biomedizinische Entwicklungen hinzu, die ursprünglich auf die Wiederherstellung der Gesundheit oder den Ausgleich von Versehrten gerichtet war, wie beispielsweise Prothesen oder Implantate, die das Hörvermögen künstlich wiederherstellen können.

Doch wie bei jedem Produkt werden auch diese Technologien den Weg in weitere Anwendungsfelder finden, wenn es einen Markt dafür gibt – und den gibt es. Spätestens dann wird es einen breiten gesellschaftlichen Diskurs darüber geben müssen, wie weit wir gehen wollen und welche soziologischen Konsequenzen aus jedem einzelnen Schritt entstehen können.

Ethische Debatte

Werden womöglich Erwartungen an die Individuen einer Gesellschaft gestellt, den eigenen Körper technisch oder biochemisch zu optimieren? Wie sichern wir die freie Wahl jedes einzelnen, den eigenen Körper naturbelassen zu belassen, auch wenn das womöglich medizinisch zu höheren Kosten führt, Nachteile im Berufsleben und weiteren Lebensbereichen bringt?

Wenn es erst gesellschaftliche Zwänge für Individuen gibt, sich dem Human Enhancement zu unterwerfen, ist es zu spät für eine ethische Debatte. Diese sollte genau jetzt geführt werden. Dafür braucht es jedoch eine gut aufgeklärte Gesellschaft. Denn nur so kann der politische Druck auf Entscheidungsträger:innen erhöht werden, Stellung zu beziehen.

Diskussion nur in Fachkreisen

In Fachkreisen – gerade auch in philosophischer Ethik – werden diese Diskussionen schon lange geführt. Nur werden sie von der Allgemeinheit kaum wahrgenommen und spielen in der öffentlichen politischen Debatte keine Rolle. Was auch nicht verwunderlich ist, wenn man den Wissensstand in Bezug auf Digitalisierung in Deutschland betrachtet oder das Verhältnis zwischen Wissenschaft und politischen Gremien im Allgemeinen.

Fazit

Wie gelingt es, die Tragweite der Folgen der jetzt schon vorhanden und absehbar kommenden technologischen Entwicklungen zu verstehen? Das wird jedenfalls eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die uns alle angeht. Neben der Frage: „Wie stoppen wir die Klimakatastrophe?“ ist dies wohl eine der bedeutendsten Fragen, die die Zukunft der Menschheit betrifft. Was braucht es, dass wir als Menschheit gemeinsam die Zukunft zum höchsten Wohle Aller gestalten?


Die Autorin: Katja Kohlstedt, Vorstandsmitglied der visibleRuhr eG

Katja Kohlstedt, Vorstandsmitglied der visibleRuhr eG, ist Philosophin der Digitalen Transformation. Mit Einzug des ersten Computers im Haushalt 1985 beschäftigt sich Katja Kohlstedt mit den gesellschaftsrelevanten Auswirkungen durch Digitalisierung und technologischem Fortschritt. Zu der Bewegung des Transhumanismus forscht sie seit Anfang 2016 und identifiziert verschiedene Strömungen sowie deren zugrundeliegenden philosophischen Menschen- und Weltbilder. Sie teilt ihr Wissen als freie Autorin und Beraterin. Beim nächsten Digital Valley der visibleRuhr eG am 25.11.2021 kannst Du sie in Dortmund persönlich treffen:

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