Die Vielfalt ist Realität – Wir sollten lernen, damit umzugehen

Die Vielfalt ist Realität – Wir sollten lernen, damit umzugehen

Katharina Schultejans M.A. gibt Kommunikations-, Gleichstellungs- und interkulturelle Trainings in Unternehmen. Für die in Deutschland und Polen aufgewachsene Unternehmenskommunikatorin sind Vielfalt und Diversity keine Trend- oder Modeerscheinungen; ihrer Meinung nach begleiten die Themen unsere gesamte Arbeits- und Lebensrealität. Vom Aufbau der Genderkompetenz über interkulturelle Teambuildings bis zum Verhandlungstraining unterstützt sie Mitarbeitende und Führungskräfte beim Abbau von Stereotypen, dem Verständnis für vorurteilsfreie Beurteilungen und der Rhetorik für Gleichstellung am Arbeitsplatz. Dabei sind ihre Begeisterung und ihr Humor deutlich zu spüren.

Hallo Katharina, herzlichen Dank für Deine Zeit, schön dass Du da bist. Du bist deutschlandweit unterwegs und trainierst in Unternehmen den sensibilisierten Umgang mit Themen wie z. B. Genderkompetenz oder Gleichstellung. Bitte korrigiere mich, aber ich erlebe immer wieder, dass manche der Themen bei vielen Menschen deutliche Ermüdungserscheinungen hervorrufen. Wie nimmst Du das in der Gesellschaft oder auch in den Unternehmen wahr?

Bei meinen Teilnehmenden ist manchmal eine erste Skepsis da, besonders wenn die Begriffe „gendersensible Sprache“ oder „interkulturelle Kompetenz“ fallen. Doch das ändert sich schnell und weicht einem echten Interesse. Ich stelle steile Thesen auf und „sprenge“ damit die vorhandenen Denk-Schubladen, damit beginnt die von mir gewünschte Diskussion – und dann kommt die Neugier ins Spiel und die Skepsis rückt in den Hintergrund.

Wie müssen sich unser Leser:innen das vorstellen?

Zum Beispiel zeige ich den Teilnehmer:innen eines Trainings, wie sie aus ihrer Perspektive in eine andere wechseln, ganz bewusst und zielorientiert. Dadurch ebne ich den Weg zu einem toleranten und respektvollen Miteinander.

Im Training geht es um die Gestaltung vorurteilsreduzierter Beziehungen zu anderen Menschen. Zielsetzung ist, dass bereits im ersten Kontakt Beziehungen entstehen, in denen jeder annehmen kann. Eine Frage wäre: „Wie kann ich mit Kund:innen umgehen, die mir fremd sind und mich triggern?“ oder: „Wie gehe ich auf Kund:innen zu, die andere Wertvorstellungen haben und die, ohne es zu wollen, meine Werte durch ihr Verhalten angreifen?“

Für solche Situationen entwickle ich mit den Teilnehmenden Handlungsleitfäden, die im täglichen Umgang eingesetzt werden können und der Unternehmenskultur entsprechen. Daraus entsteht eine flüssige Kommunikation mit Kolleg:innen oder Kund:innen, das wiederum verbessert die Zusammenarbeit oder die Geschäftsbeziehung. Ich drohe nicht mit dem erhobenen Zeigefinger und ich missioniere nicht. Ich denke, dass Unternehmen und Unternehmer:innen sich zwangsläufig weiterentwickeln müssen, denn die Vielfalt in Unternehmen ist schon lange da. Doch häufig wird sie nur auf dem Papier als Unternehmenswert dargestellt. Erst wenn die Vielfalt wirklich akzeptiert und in die Kommunikation transportiert wird, ist es ein Mehrwert für die Unternehmen, der an verschiedenen Kennzahlen messbar ist.

Verstehe ich das richtig, dass der Mehrwert die „neue Art“ der Kommunikation ist?

Nein, der Mehrwert greift viel tiefer in die betrieblichen Prozesse ein. Es fängt u. a. bei besseren Teamleistungen an, geht über die Reduzierung des Stresslevels bei den Mitarbeitenden und verbessert die Bewerbungsquoten.

Die Kommunikation ist das Instrument, das Menschen miteinander verbindet. Hat dieses Instrument einen angenehmen Klang, werden viele Menschen innehalten, hinhören und sich dabei wohlfühlen. Dann erst erfolgen daraus folgen positive Reaktionen, sowohl in der Innen- als auch in der Außenwirkung.

Liebe Katharina, welche Berührungspunkte hattest Du mit den Themen, die Du heute schulst? Was interessiert Dich und wie bist Du zu dem gekommen, was Du heute mit vollem Engagement und großer Leidenschaft tust?

Ich bin stets interessiert an der Begegnung mit dem Fremden und mit Angelegenheiten, die unser Verständnis sprengen, den Dingen, die sich außerhalb unserer Vorstellungskraft abspielen. Während meines Studiums der Ethnologie, Sozialanthropologie und Germanistik habe ich viel Zeit in Polen und der Türkei verbracht. Diese Zeit hat mich in viele Perspektivwechsel gezwungen. Als wirklich hochgewachsene Frau, die ihre Haltung mit klarer – und nicht gerade leiser – Stimme vertritt, bin ich häufig aufgefallen und angeeckt. Einer Diskussion bin ich jedoch nie aus dem Weg gegangen. Manche gesellschaftlich, unübliche Perspektiven haben mich schon mehrfach ins Stolpern gebracht und ich kenne das Gefühl der Schwere, die das erneute Aufstehen bereitet.

Meine Kinder bekam ich während des Studiums und eine akademische Karriere, wie ich sie mir immer erträumt hatte, war damit ausgeschlossen. Denn mit der Bekanntgabe der Schwangerschaft wurde mir der Zeitvertrag als Mitarbeiterin des Lehrstuhls nicht verlängert. Die Tür war zu und das Verfolgen meiner eigenen Ziele wurde von äußeren Umständen wesentlich verkompliziert. Das hat mich darin bestärkt, diesen Weg, den ich heute gehe, einzuschlagen.

In meinem Erwerbsleben kam ich zur Gleichstellungspolitik, stand für Interkulturalität ein und war als Inklusionsbeauftragte im Jobcenter tätig. Ich habe mich um die Schwerbehinderten gekümmert und auch Menschen begleitet, die sich einer Geschlechtsumwandlung unterzogen hatten. Ich war im Haus dafür zuständig, mit den Menschen zu sprechen, die einen Bedarf an Barrierefreiheit hatten, dabei ging es um vielfältige Themenbereiche. Die Schwierigkeiten sind zwar in der Kommunikation aufgetaucht, ihr wahrer Ursprung lag aber in der sozialen Wertung, der kulturellen Brille oder der Gleichstellungthematik begründet.

Aus dieser Tätigkeit heraus habe ich viel mitgenommen, zu den Bedürfnissen von Mitarbeiter:innen und Kund:innen. Ich habe gelernt, wie Vorurteile und Klischees eine fast unüberwindbare Hürde aufgebaut haben und wie sich die individuell erarbeiteten Lösungen in der Arbeitswelt erfolgreich umsetzen lassen.

Ich denke, dass wir alle schon einmal mit Klischees und Vorurteilen konfrontiert wurden. Meiner Erfahrung nach wird es dann kompliziert, wenn sich eine persönliche Betroffenheit einstellt. Welche Erfahrungen hast Du damit gemacht?

Das kann ich bestätigen. Sobald etwas persönlich genommen wird, ist es schwieriger sich selbst zu reflektieren. Beim Aufeinandertreffen von unterschiedlichen Kulturen erschwert die eigene Sichtweise den Wechsel auf die Meta-Ebene, denn jeder sieht seine Kultur als den richtigen Maßstab an.

Wir Deutsche haben eine sehr direkte Art der Kommunikation. Dieses kulturell gewachsene Merkmal wird in vielen Teilen der Welt als unhöflich angesehen, zusätzlich sind wir noch individualistisch geprägt, d. h. wir haben keinen starken, hierarchisch geprägten Familienzusammenhalt, bei uns wird nicht der Älteste gefragt. Das löst in anderen Kulturen Unverständnis aus, weil dort die Familienhierarchie, der Respekt und die Wertschätzung des Alters ein sehr hohes kulturelles Gut sind.

Aus dieser Perspektive entsteht dann ein Problem, das sich auf der Kommunikationsebene niederlässt und häufig falsch interpretiert wird. Ich möchte das am Beispiel der Personalbeurteilung verdeutlichen.

Kann ich als Beurteilender bei der Bewertung eines Mitarbeitenden nicht bewusst auf die Meta-Ebene wechseln, ist eine korrekte Personalbeurteilung fast unmöglich. Ich muss mich reflektieren und von den vorhandenen Klischees lösen können, ohne die Bedürfnisse des Mitarbeitenden zu vernachlässigen. Nur dann versetze ich den Mitarbeitenden in die Lage, sein Bestes zu geben und den Mehrwert der Vielfalt im Unternehmen auch vollumfänglich nutzen zu können.

Doch auch andere Themen, wie Gleichstellung und Chancengleichheit und der Abbau von Geschlechtsstereotypen spielen in das Thema Vielfalt hinein. Als Basis dient die Kommunikation, um Vorurteilen entgegenzuwirken und eine bessere Zusammenarbeit zu erzielen. Mit Rollenspielen versetze ich die Teilnehmer:innen meiner Trainings in die Lage, sich die Situation aus anderen Perspektiven anzusehen und damit zielgerichtet auf die Meta-Ebene wechseln zu können.

Das klingt sehr einprägsam und Du erzielst damit sicher große Erfolge für die Unternehmen, für die Du tätig bist. Doch was ist Dir an Deiner Arbeit das Wichtigste? Woran hängt Dein Herz?

Eine Erfahrung in meiner Jugend hat mir verdeutlicht, wie sehr wir von gesellschaftlichen Glaubenssätzen beeinflusst sind. Mir liegt daher die Gleichstellung sehr am Herzen: Gender-Gap, Care-Gap, das sind alles Indikatoren für eine Trennung nach Geschlechtern – und das mag ich nicht. Lieber stelle ich provokante Thesen auf und biete so einen Diskussionsansatz, in den alle Anwesenden völlig wertfrei einsteigen können. Mit viel Humor erarbeiten wir uns dann weitere Perspektivwechsel. Ich möchte wohlwollend auf diese „Missstände“ aufmerksam machen und biete eine ideale Mischung aus Wissensvermittlung, Entertainment und Selbstreflektion.

Entertainment klingt in diesem Kontext absolut ungewöhnlich … Doch nach unserem Gespräch kann ich gut verstehen, warum Unternehmen Dich buchen. Wir haben schon einiges von Dir gehört, was gehört noch zu Deiner Expertise?

Ich möchte das kurz klarstellen: Unternehmen buchen mich nicht wegen des Entertainments, sondern weil sie ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nachgehen möchten. Das machen sie, indem sie die Gesprächskultur verbessern, weil sie ein Statement für Toleranz, Offenheit und für Diversität abgeben wollen und weil sie verstanden haben, dass Interkulturalität und die Gleichstellungsarbeit für unsere Zukunft immer wichtiger werden.

Gerade die Personalpolitik in Unternehmen spiegelt häufig die Kund:innen wider. Und indem ich mich als Unternehmen öffne, wird sich das positiv auf die Klientel auswirken und für eine wertebasierte, langfristige Verbindung sorgen. Darauf muss der Mikrokosmos des Unternehmens ausgerichtet werden.

Nun zurück zu Deiner Frage. Übergeordnet bringe ich Klarheit in komplexe Themen, die das Unternehmen betreffen, damit am Ende eine deutliche Botschaft bei allen Beteiligten ankommt. Ich biete einen niederschwelligen Zugang zu den Themen mit hohem Wissenstransfer und vermittle diese auf Basis der Kernmethoden.

Des Weiteren biete ich Genderkompetenz, Verkaufs- bzw. Telefontrainings und einen bedürfnisorientierten Einsatz der Kommunikation, nachdem die Stärken und Schwächen erkannt wurden. Ich stehe dafür, durch die Kommunikation die Akquise und Suche nach neuen Mitarbeitenden zu verändern. Damit können wir fremde Kulturen in unseren Unternehmen etablieren, denn ich sehe eines ganz deutlich:

DIE VIELFALT IST REALITÄT!

Katharina Schultejans
Liebe Katharina, Entertainment finde ich trotzdem klasse und freue mich, dass es Menschen wie Dich gibt, die herausragen und andere Herangehensweisen anwenden. Ich danke Dir ganz herzlich für das Gespräch.


Katharina Schultejans
Vielfalt Spricht

Unternehmenstrainings für Kommunikation, Interkulturalität und Genderkompetenz

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