Gewalt macht krank!

Gewalt macht krank!

Jede 3. Frau in Deutschland hat mindestens 1 Mal in ihrem Leben sexualisierte und/oder häusliche Gewalt erlebt. Das sind 12 Millionen Frauen! Auch ich bin eine 3. Frau. Ich habe Missbrauch, häusliche Gewalt erfahren und einen Überfall mit Vergewaltigung in einem öffentlichen Park überlebt.

Ich bin Alice Westphal, 64 Jahre alt, seit 10 Jahren selbstständige Resilienztrainerin und Coach für Frauen. Seit 2 Jahren bin ich Speakerin (Vortragsrednerin) und Aktivistin in der Metoogermany-Bewegung und Vorstandsvorsitzende im Verein S.I.G.N.A.L. e.V.

Außen wirkte alles „normal“

Im Außen wirkte mein Leben „normal“, wie so häufig bei komplex traumatisierten Frauen. Ich machte Karriere, wurde zur ersten weiblichen Personalratsvorsitzenden einer großen Berliner Uniklinik gewählt, wechselte später in die Stabsstelle „Interne Öffentlichkeitsarbeit“. Es erfüllte mich, mich für andere Menschen, insbesondere Frauen, einzusetzen und für ihre Rechte zu kämpfen.
Nach einer Fusion „musste“ ich erkennen, dass ich nicht hierarchiekompatibel bin, meine Werte passten nicht mehr und ich verließ nach 25 Jahren „mein „Klinikum“. Und machte mich mit 54 Jahren als Trainerin und Präventologin selbstständig.

Im Inneren ein tosender Sturm …

Im meinem Inneren sah es ganz anders aus. Mein Weg war bis dahin mit häufigen Suizidgedanken, Depressionen, Angstzuständen, Alkoholmissbrauch, Hörstürzen, Essstörungen, Bandscheibenvorfällen, Erschöpfungszuständen gepflastert.

Meine innere Wahrnehmung hatte sich verschoben. Das ich krank war, habe ich nicht als Krankheit wahrgenommen, trotz meiner damals chronischen, sehr schmerzhaften Nasenneben- und Kieferhöhlenentzündung, dem Pfeiffer’schen Drüsenfieber, der Lungenentzündung und immer wieder auftretenden Nierenbecken- und Blasenentzündungen!

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… oder totale Starre

Es gab Zeiten, da fühlte ich mich nicht, ich war erstarrt, kannte keine Spannungskopfschmerzen, Schmerzen überhaupt waren mir fremd. Ich befand mich permanent in einem inneren Kriegszustand: „Niemand schafft es, mich erneut zu verletzen!“ Das war meine damalige Überlebensdevise.

Vor einem halben Jahr habe ich mit einer Traumatherapie begonnen. Erst jetzt beginne ich zu fühlen und zu verstehen, wie viel Kraft es gekostet hat, mich so hart zu machen, mich so von meinen Gefühlen abzuspalten. Um zu überleben.

Ich zeige mich, um anderen zu helfen

Seit ich mich vor 2 Jahren entschieden habe, mit meiner Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen, habe ich sehr viele Frauen mit unterschiedlichsten Gewalterfahrungen kennengelernt. Frauen, die sich nicht spürten, irgendwie ihren Alltag bewältigten. Viele brauchen regelmäßig Medikamente, trinken zu viel Alkohol, machen exzessiv Sport oder haben chronische Schmerzen. Das sind alles Folgen der seelischen Qualen, die die Frauen immer wieder versuchen, zu verdrängen. So wie ich auch.
Doch das funktioniert nicht auf Dauer! Ganz im Gegenteil, es kostet so unglaublich viel Energie, gegen seine Bedürfnisse oder Wahrheiten zu leben.

„Was stimmt nicht mit mir?“

Das sind alles Dinge, die ich nicht gewusst habe, die mir auch niemand gezeigt hat. Ich dachte immer, mit mir stimmt etwas nicht! Ich bin nicht richtig! Ist doch klar, dass es immer wieder Streit geben muss, so wie ich mich immer verhalte!
Dann kamen immer intensiver werdende Schuld- und auch Schamgefühle dazu. Ich habe mich so geschämt, wenn ich mal wieder zu viel getrunken habe und endlich mal meine – meistens sehr wütenden – Gefühle, meinen Schmerz kurz gezeigt habe.

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Verdrängen um zu überleben

Es berührt und erschüttert mich heute, was komplex traumatisierte Frauen alles tun, um die Grausamkeiten, die ihnen so häufig schon im Kindesalter angetan wurden, nicht zu spüren.

Viele Frauen verdrängen die Taten so sehr, dass sie sich nicht mehr an sie erinnern können, weil es ihre einzige Chance war, um zu Überleben. Frauen, die Missbrauch erfahren haben, werden auch „Überlebende“ genannt – und die Tat als „Seelenmord“ bezeichnet.

Mutige Entscheidung

Es gehört sehr viel Mut dazu, sich zu entscheiden: Ich bin kein Opfer mehr!
Immer wieder erfahre ich von den Frauen, dass es einen Wendepunkt in ihrem Leben gab, an dem sie sich entschieden haben, leben zu wollen. Und zwar frei und selbstbestimmt.
Erst dann kann der Heilungsprozess im Innen und im Außen beginnen.

Mein Weg

Ich habe mich mit dem Thema „Gesundheitliche Folgen häuslicher, finanzieller, sexualisierter Gewalt und Missbrauch“ intensiv auseinandergesetzt. Es gibt viele Missstände, die aufgedeckt und in die Öffentlichkeit transportiert werden müssen, damit Veränderungen in Gang kommen.

Es fehlen Frauenhäuser, die Täter werden nicht ausreichend bestraft, es gibt kaum Qualifizierungsangebote für Fachpersonen aus dem Gesundheitsbereich. Die Einrichtungen der Gesundheitsversorgung wie Arztpraxen, Kliniken oder Zentren für Familienplanung spielen eine wichtige Rolle, wenn es um das Erkennen von Gewalt und die Versorgung der Betroffenen geht. 

Vereinslogo S.I.G.N.A.L. e.V.

Der Verein S.I.G.N.A.L. e.V.

Aus diesem Grund bin ich Mitbegründerin, heute auch Vorstandsmitglied, des Vereins S.I.G.N.A.L. e.V. ( S.I.G.N.A.L. e.V. – Intervention im Gesundheitsbereich gegen häusliche und sexualisierte Gewalt gegen Frauen) in Berlin.

Handlungsleitfaden: Schritte in der Intervention

Als Hilfestellung für Gesundheitsfachpersonen wurde der S.I.G.N.A.L.-Handlungsleitfaden entwickelt und wissenschaftlich evaluiert. Er entspricht internationalen Standards. Jeder Buchstabe steht für einen Schritt in der Intervention.

  • S – Setzen Sie ein Signal, sprechen Sie Gewalterfahrungen an
  • I – Interview mit konkreten einfachen Fragen
  • G – Gründliche Untersuchung alter und neuer Verletzungen
  • N – Notieren und dokumentieren aller Ergebnisse, damit sie gerichtsverwertbar sind
  • A – Abklären des aktuellen Schutzbedürfnisses
  • L – Leitfaden mit Notrufnummern und Unterstützungsangeboten

Dazu zählen, Warnhinweise häuslicher Gewalt zu (er-)kennen, Patientinnen und Patienten bei Verdacht aktiv anzusprechen, Verletzungen in einer gerichtsverwertbaren Weise zu dokumentieren, Schutzbedarfe abzuklären und an spezialisierte Hilfsdienste zu verweisen.

Copyright Pixabay – claude star

Als Trainerin viel bewirken

Seit letztem Jahr bin ich innerlich bereit und führe als S.I.G.N.A.L.-Trainerin die Schulungen für das Pflegepersonal mit großem Engagement durch. Ich zeige mich hier als Betroffene und biete den Teilnehmenden an, mir viele Fragen zu stellen. Dass das wichtig ist, zeigt die aktive Beteiligung und Inanspruchnahme meines Angebots. Mein Wunsch und Ziel ist es aufzuklären, die Gewaltmythen und Glaubenssätze der Teilnehmenden zu hinterfragen und zu verändern.

I have a dream!

Auch ich habe einen Traum! Einen Traum, in dem es keine Frauenhäuser mehr braucht – weil es keine Gewalt mehr zwischen den Menschen gibt! Weil wir gleichberechtigt, wertschätzend und respektvoll auf Augenhöhe in Liebe miteinander umgehen, lieben, arbeiten und leben!

Das Buch: unSICHTBAR – Wir zeigen Gesicht

„Sexualisierte und häusliche Gewalt, Missbrauch und Vergewaltigungen wird oft mit anonymen Geschichten erzählt, oder scheint nur öffentliche Personen zu betreffen. Wir sind echt. Wir erzählen unsere Geschichten und wir zeigen Gesicht.“

Das Thema ist wichtig und gehört in die Öffentlichkeit. Mit dem Buch gehen wir einen Weg, um anderen Frauen Mut zu machen und Wege aufzuzeigen.

Wenn Du das unterstützen möchtest, vernetze Dich mit mir, schau Dich auf den Internetseiten um oder erwerbe das E-Book. Unser erklärtes Ziel ist es, mit dem Sprung auf die Bestsellerlistenmehr öffentliche Aufmerksamkeit zu bekommen und mehr betroffene Frauen zu erreichen.  

Das E-Book „unSICHTBAR – wir zeigen Gesicht wird am 25.11.2020 bei Amazon veröffentlicht.

Kontakt

Kontakt zu mir findest Du unter meiner neuen Website www.alice-westphal.de oder auf den Social Media Kanälen Instagram, Facebook, LinkedIn, Xing oder auf Twitter.

Bei S.I.G.N.A.L. e.V. gibt es Intervention im Gesundheitsbereich gegen häusliche und sexualisierte Gewalt gegen Frauen.

Videobeiträge und Interviews

Copyright Titelbild – Denise van Diesen