
Die Unbeugsamen – Absolut sehenswert!
Dieser Dokumentarfilm von Torsten Körner hat es in sich. Er lief bereits 2021 für 37 Wochen in deutschen Kinos und das zu Recht. Seine Botschaft ist eindeutig: Den allseits bekannten, männlich geprägten Blickwinkel auf die Helden der Bonner Republik korrigieren und die Perspektive der damals aktiven Politikerinnen einnehmen. Ohne künstliches Drama oder weitere Kommentare, stehen die Aussagen der Politikerinnen und das Archivmaterial für sich selbst, so dass sich Zuschauende ihre eigene Meinung bilden können.
Mutig und stark mussten sie sein, die Frauen, die sich und etwas auf dem politischen Parkett bewegen wollten. Sie alle kommen zu Wort und lassen uns teilhaben, an ihrer Sicht auf die damalige Zeit: Carola von Braun (FDP), Herta Däubler-Gmelin (SPD), Elisabeth Haines (SPD), Renate Hellwig (CDU), Marie-Elisabeth Klee (CDU), Ingrid Matthäus-Maier (FDP/SPD), Ursula Männle (CSU), Roswitha Verhülsdonk (CDU), Renate Schmidt (SPD), Helga Schuchardt (FDP), Waltraut Schoppe (Die Grünen), Aenne Brauksiepe (CDU), Rita Süssmuth (CDU) und Christa Nickels (Die Grünen).
Die Beschreibung der Autorin Luc-Carolin Ziemann am 12. März 2020 in Vision Kino 2020 fasst es gut zusammen:
„Die Unbeugsamen“ erzählt von mutigen Frauen, die die Politik der Bundesrepublik Deutschland nicht allein den Männern überlassen wollen. Waren es in den Anfangsjahren der Bonner Republik zunächst nur Einzelkämpferinnen, bestanden seit den 1960er Jahren immer mehr Frauen darauf, als Politikerinnen ernstgenommen zu werden. Sie waren konfrontiert mit massiven männlichen Abwehrreaktionen, die von Vorurteilen bis zu offener sexueller Diskriminierung reichten. Die teilweise schockierenden Archivaufnahmen belegen, wie ungeniert viele Männer die Politikerinnen verhöhnten, beleidigten und bedrohten. Der Journalist Torsten Körner hat mit vielen Frauen, die die westdeutsche Politik bis zur Wiedervereinigung entscheidend geprägt haben, gesprochen. Entstanden ist eine emotional bewegende Chronik, die nichts an Aktualität eingebüßt hat: 2020 ist der Frauenanteil im Bundestag erstmals seit langem wieder gesunken. Daher endet der Film nicht von ungefähr mit der deutlichen Warnung: „Frauen, wenn wir heute nichts tun, dann leben wir morgen wie vorgestern.“
Damit ist schon vieles gesagt und dennoch drückt es so wenig aus, warum mich die Intensität des Films so beeindruckt hat und bis heute nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat.
Einige Zitate aus dem Film
Ich möchte Deine Neugier mit einigen Zitaten wecken und Dich dazu ermutigen, Dir den Film und das Bonusmaterial anzuschauen. Er ist überraschend, erschreckend, unaufgeregt, reflektiert, demütigend, absurd und zeigt den Mut und die Unerschütterlichkeit dieser Pionierinnen.
„Zum Teil ist sie erfüllt, zum anderen Teil nicht. Und wenn die Leute nicht weiterkämpfen, werden sie das, was sie haben, wieder verlieren.“
– Dr. Marie-Elisabeth Lüders, FDP, 1958 auf die Frage, was sie heute über die Verwirklichung ihres großen Anliegens, der Gleichberechtigung der Frau, denke.
„Macht wird als unweiblich angesehen. Ich habe das noch nie verstanden. […] Dass ich Macht will, dass Macht etwas nicht per se Schlechtes ist, sondern nur die Art wie man Macht ausübt, schlecht sein kann, und natürlich dann kritisiert werden muss. Aber wenn ich machtlos bin, dann bin ich ohnmächtig. Und gerade, weil ich eine Frau bin, will ich nicht ohnmächtig sein, sondern ich möchte Macht, das heißt Einfluss haben, um die Dinge, die ich für richtig halte, durchsetzen zu können.“
– Renate Schmidt, SPD
„Man musste auch lernen, das Baggern so abzuwehren, dass der Herr nicht todbeleidigt und ab dann dein Todfeind ist in der Fraktion. […] Das war in allen Fraktionen so, auch bei uns.“
– Carola von Braun-Stützer, FDP, MdB
„Auftreten wie eine Lady und kämpfen wie ein Schlachtross.“
– Aenne Brauksiepe, CDU
„Es war schon so, dass die Kollegen nicht begriffen haben, wie sie mit uns eigentlich umgehen. Für die waren wir so eine Garnitur, so Blümchen, aber nicht unbedingt ernstzunehmende Politikerinnen, die genauso viel zu sagen haben wie sie.“
– Renate Schmidt, SPD
„Als Einzelne wirkt die Frau wie eine Blume im Parlament, aber in der Masse wie Unkraut.“
– Michael Horlacher, CSU
„Ich fing an, in politische Veranstaltungen zu gehen, und merkte plötzlich: Ach, die Leute hören dir ja zu, wenn du ein Argument vorbringst.“
– Carola von Braun-Stützer, FDP, MdB
„Ich bin der Auffassung, dass die Frau auf allen Gebieten ihren eigenen Anteil gibt, und darum auch in der Politik. […] Ich möchte glauben, dass es manche tüchtigen Frauen in unserem Land gibt, die fachlich und sachlich zu dem schweren Gespräch der Männer um die Ordnung, um die Zukunft ihren Teil hinzugeben könnten.“
– Aenne Brauksiepe, CDU – Vorsitzende der Frauen Union 1961
„In diesem Kreis sind auch Sie ein Herr!“
– Konrad Adenauer 1961 zur ersten weiblichen Ministerin Frau Dr. Schwarzhaupt, CDU
„Wissen Sie, es ist eine Frage, die hier auftaucht, wo immer man mitarbeitet. Aber ich persönlich habe doch die ermutigende Erfahrung gemacht, dass man Frauen auch etwas zutrauen kann, denn man mutet uns ja oft sehr viel zu.“
– Dr. Elisabeth Schwarzhaupt, CDU,im Fernsehinterview auf die Frage eines männlichen Journalisten: „[…] ist es nicht überlegenswert, sich zu fragen, ob eine Frau in der Politik eine ganz bestimmte Position einnehmen will, soll oder muss nur deshalb, weil sie eine Frau ist?“
„Zunächst waren die Frauen alle Einzelkämpferinnen, jede war für sich. Und dann, in den 70er Jahren, entdeckte man die anderen Frauen, die in der gleichen Situation waren. Und man hat nicht mehr gegeneinander um den einzigen Frauenplatz konkurriert, sondern man hat sich zusammengetan, um mehr „Frauenplätze“ zu bekommen.“
– Elisabeth Haines, Referatsleiterin im Familienministerium

„Sie müssen noch an sich arbeiten, meine Herren, damit die Würde dieses Hauses nicht ganz auf den Hund kommt. Die Diskussion um den §218 ist neu aufgebrochen. […] Wir bewegen uns in einer Gesellschaft, die Lebensverhältnisse normiert: auf Einheitsmoden, Einheitswohnungen, Einheitsmeinung, auch auf eine Einheitsmoral. Was dazu geführt hat, dass sich Menschen abends hinlegen und vor dem Einschlafen eine Einheitsübung vollführen. Wobei der Mann meist eine fahrlässige Penetration durchführt. Fahrlässig, denn die meisten Männer ergreifen keine Maßnahmen zur Schwangerschaftsverhütung. Wir fordern die Bestrafung bei Vergewaltigung in der Ehe. Wir fordern Sie auf, endlich zur Kenntnis zu nehmen, dass auch die Frauen ein Selbstbestimmungsrecht haben über ihren Körper und ihr Leben. Wir fordern Sie alle auf, den alltäglichen Sexismus hier im Parlament einzustellen.“
– Waltraut Schoppe, Die Grünen, am 05.05.1983 – Rede im Bundestag
„Ich habe sie bewundert, das sage ich ganz offen. Weil ich damals die gleichen Worte im Bundestag wahrscheinlich nicht gewählt hätte, aber ich fand die völlig richtig.“
– Herta Däubler-Gmelin, SPD, zur Rede von Waltraut Schoppe am 05.05.1983 zum §218
„Diese Rede war ein großes Fest für alle Frauen, die fraueninteressiert und frauenbewegt waren. So hat nie, noch nie jemand im Bundestag gesprochen.“
– Elisabeth Haines, SPD, zur Rede von Waltraut Schoppe am 05.05.1983 zum §218
„Die Stimmung, damals bei der Rede von Frau Schoppe, war einfach ekelhaft. Ich meine, so was wie „Hexe“ na gut, das ist nicht besonders schön, aber nicht unter der Gürtellinie. Da kamen aber Dinge, ganz eindeutig sexualisierter Art, die man ihr zurief. So etwas wie „Mit dir will ja sowieso keiner pennen“, also wirklich sehr hässlich. Ich hätte das von Abgeordneten nicht erwartet.“
– Ingrid Matthäus-Maier, SPD
„Das war manches Mal peinlich für die Männer. Man hatte richtig Mitleid mit den Männern, die da so grölen mussten bei bestimmten Passagen, weil sie so in ihrem innersten Sein angegriffen wurden und nicht mehr akzeptiert wurden als natürliche Herrscher in der Welt.“‘
– Elisabeth Haines, SPD
„[…] Und als das passiert ist, mit dem Lachen und auch mit den Aggressionen, da habe ich gedacht, jetzt gerade, hier muss noch viel Basisarbeit geleistet werden. Und das haben wir uns vorgenommen als Frauen.“
– Waltraut Schoppe, Die Grünen, im Gespräch mit der Journalistin Inge von Bönninghausen
„Frauen, ich meine das parteiübergreifend mit allen Frauen zusammen, dass sie z. B. auch gerade in der Nachrüstungsdebatte, doch viel intensiver auf die echten Probleme eingegangen sind als alle Männer da drin.“
– Petra Kelly, Die Grünen
„Solange uns Männer regieren, die Raketen vom Kopf tragen wie andere das Brett vor dem Kopf, wird es hier nicht besser werden und wir brauchen keine neuen Raketen. Wir brauchen neue Männer in diesem Land.“
– Waltraut Schoppe, Die Grünen
„Wenn sie aktiv und entscheidungsfreudig sind, wenn sie was wollen und das durchsetzen und sagen: „Jetzt krieg ich die Mehrheiten …“. Ich bin sicher, bei einem Mann wäre gesagt worden: „Der ist aber entscheidungsstark.“ „Der hat Ideen und Visionen, die will der umsetzen.“ Dies ist aber eine Erfahrung, die ich über all die Jahre gesammelt habe, wenn Frauen sagen: „Ich will das so und dafür kämpfe ich“, wird das eher kritisch gesehen, auch beim Zuschauer, als wenn Männer das machen. Da heißt das „entscheidungsstark“ und nicht „autoritär“.“
– Ingrid Matthäus-Maier, SPD
„Sie und Helmut Kohl, das war ja nun … Irgendwann wurde das ein ganz bekanntes Gegnerpaar. Er war stinksauer, dass sie so anders war, als er dachte, dass sie sein wird. Und sie war ziemlich fassungslos über die Machoallüren, die man nicht nur bei Kohl sondern in diesem Umfeld einfach erlebte.“
– Renate Faerber-Husemann, Journalistin, über Fr. Dr. Rita Süssmuth, CDU, Gesundheitsministerin
„Es muss geschmeidig wirken, aber hart erkämpft werden. Das habe ich auch gelernt. Ich weiß, dass dieses Wort „kämpfen“ unter Frauen und schon gar nicht in der Mann-Frau-Relation das richtige Wort ist, aber es ist die richtige Tat.“
– Prof. Rita Süssmuth, CDU

Fazit:
„1908 durften die Frauen nicht mal auf politische Veranstaltungen, sie durften keine politischen Vereine besuchen. 1918 haben sie erstmals das Wahlrecht bekommen. dann haben sie es wieder entzogen gekriegt. Standen ihre Frau während des Krieges, ließen sich dann aber wieder zurückdrängen an den Herd, machten Platz frei für diejenigen, die aus dem Krieg zurückgekommen sind. Es braucht halt alles einfach seine Zeit, weil es halt ein Kampf, ein Machtkampf ist. Jede Position, die heute von einer Frau eingenommen wird, wird nicht mehr von einem Mann eingenommen. Die haben natürlich etwas zu verlieren. Um es deutlich zu machen, dass man nichts verliert, sondern dass es vielleicht besser ist, wenn beide gemeinsam was tun, dieses Bewusstsein, dass das sich in den Köpfen wiederfindet, das ist schwer einzupflanzen. Aber vielleicht schaffen wir es in den nächsten 25 Jahren. Ich glaub schon.“
– Ursula Männle, CSU
Ein Stück Zeitgeschichte, das von innen heraus betrachtet deutlich anders aussieht als bisher angenommen. Ich bin dankbar für diesen Film und möchte mit der Botschaft des Films enden, wie es der Regisseur Torsten Körner dargelegt hat: „Der Film stellt starke Frauen, starke Erzählerinnen in den Mittelpunkt. Starke Frauen erzählen ihre Lebensgeschichte – das ist die Botschaft.“

Hier findest Du den Film:
Der Film:
Aktuell ist das Streaming kostenpflichtig verfügbar bei Netflix, Youtube, Apple TV, Google Play Film, Amazon Prime.
Als DVD oder Blue-ray ist er bei Amazon erhältlich.
Weitere Links:
Welt – Kultur, Artikel vom 25.08.2021: „In diesem Kreis, meine Dame, sind auch Sie ein Herr!“
Wikipedia: Die Unbeugsamen