Kriegsmädchen – Sechs Frauen – Drei Kriege – Ein Schicksal

Kriegsmädchen – Sechs Frauen – Drei Kriege – Ein Schicksal

Eine 3-teilige ARD-Dokumentation

Leen, Nermina, Carola, Ingrid, Wesam, Alisa – diese sechs Frauen im Alter zwischen 14 und 87 Jahren teilen ein Schicksal. Sie haben ihre Kindheit in Zeiten erlebt, die in ihrem Land Krieg bedeutete. Krieg in Deutschland, Krieg in Bosnien und Krieg in Syrien. Die Dokumentation der ARD erzählt die Geschichten dieser Frauen. Sie alle erlebten den Verlust, kämpften für einen Neuanfang und hielten trotz der Umstände an ihren Träumen fest. Ihre Schicksale zeigen, wie Krieg das Leben von Generationen prägt – aber auch, dass die Hoffnung nie ganz verschwindet.

Verlust – Das Ende der Kindheit

Krieg bedeutet Angst, Zerstörung und den Verlust alles Vertrauten.

Leen war drei Jahre alt, als der Krieg in Syrien begann. Sie musste schon als Kleinkind den Tod ihres Vaters erleben, der vom sogenannten „Islamischen Staat“ ermordet wurde. „Ich war noch so klein, als mein Vater gestorben ist. Sein Tod hat eine Lücke hinterlassen, die nicht mehr gefüllt werden kann.“ 2018 floh sie mit ihrer Schwester und ihrer Mutter über Marokko, Spanien und Frankreich nach Deutschland. Bis heute wissen sie nicht, ob sie bleiben dürfen. In Syrien lebte die Familie in einem großen Haus, heute lebt Leen mit ihrer Mutter und Schwester in einem Zimmer im Flüchtlingslager.

Nermina ist in Zivinice, zweieinhalb Stunden von Sarajevo (Bosnien) entfernt, aufgewachsen. Als 1992 der Krieg in Bosnien ausbrach, war sie 10 Jahre alt. Musste sie mit ihren Eltern bei Angriffen in den Bunker laufen, hatte Nermina immer einen Rucksack dabei, mit dem sie ein bisschen Kleidung, eine Kerze und ein Mensch-Ärgere-Dich-Nicht Spiel bei sich tragen konnte. Nach dem Krieg gab es in ihrer Heimat für sie keine Perspektive mehr; heute lebt Nermina in Deutschland. „Die Flucht war das Schlimmste. Alles Vertraute zurückzulassen und ins Ungewisse gehen, hat mich tief geprägt.“

Ingrid ist 1941 als zweites von fünf Kindern mitten im zweiten Weltkrieg geboren. Ihre Mutter war glühende Anhängerin des Nazi-Regimes. Als Mädchen hat sie ihren Vater wegen des Krieges jahrelang nicht gesehen und wurde früh mit Angst und Entbehrung konfrontiert. Sie erinnert sich heute noch an die Nächte im Luftschutzkeller, an das Heulen der Sirenen. Diese Bilder lassen sie nicht los. Sie ist zutiefst erschüttert, wenn sie daran denkt, dass das Leid, wie sie es erlebt hat, aktuell in der Ukraine über tausende von Familien hereinbricht.

Alisa wurde in Sarajevo (Bosnien) geboren. Kurz vor ihrem dritten Geburtstag musste sie zusammen mit ihren Eltern aus ihrer Heimat fliehen. „Wir mussten alles zurücklassen. Die Ungewissheit war das Schlimmste.“ Trotz aller Anstrengungen sind ihre Eltern in Deutschland immer Fremde geblieben. Heimat ist für Alisa ein ambivalentes Wort.

Carola war 4 Jahre alt, als 1939 der Zweite Weltkrieg begann. Ihre Mutter war fast blind und ihr Vater beim Militär. So musste das kleine Mädchen bei Bombenangriffen die Mutter und ihre kleineren Geschwister zum Bunker führen. Am 5. Oktober 1944 schlug eine Bombe in ihr Elternhaus in Saarbrücken ein und legte es in Schutt und Asche. „Ich erinnere mich an den Tag, als unser Haus zerstört wurde. Es war der Moment, in dem meine Kindheit endete.“ Sie hatten nur noch, was sie am Leib trugen, und in den kleinen Taschen hatten, aber am wichtigsten war für Carola der Zusammenhalt. „Wir hatten uns noch“ sagt sie.

Bis zur achten Klasse ging Wesam in Syrien zur Schule. Zukunftspläne konnte sie nicht machen, denn sie wusste nie, ob sie den nächsten Tag noch erleben würde. „Als ich mit meiner kleinen Schwester unser Zuhause verließ“, sagt sie, „wusste ich nicht, ob ich meine Familie jemals wiedersehen würde.“ Sie floh erst in die Türkei und kam dann nach Deutschland.

In den Erzählungen der Frauen ist immer wieder zu erkennen, dass es die Machthaber sind, die diese Kriege wollen. Wenn man die Bevölkerung fragen würde, wollte das niemand. Die Kinder leiden am meisten, an zweiter Stelle die Mütter und die Männer, die ihre Familien verlassen und in den Krieg ziehen müssen, um ihr Land zu verteidigen.

Neuanfang – Zwischen Fremde und Hoffnung

Nach der Flucht begann für die Frauen ein langer, mühsamer Weg.

„Wir hatten nichts mehr, aber wir hatten uns. Das gab uns die Kraft, neu anzufangen“ erzählt Carola. Trotz aller Schicksalsschläge, die sie in ihrem langen Leben ertragen musste, hat sie das Singen nicht verlernt. „Musik bedeutet für mich einfach das Leben.“ 2012 lernt Carola ihren Lebensgefährten kennen. Die beiden wollen gemeinsam alt werden, zuhause und nicht in einem Altenheim.

Auch Ingrid wuchs in den Trümmern des zerstörten Deutschlands auf. Sie lernte früh, sich durchzukämpfen, denn als Kind und Jugendliche hat sie gelispelt und wurde dafür von ihrer Mutter geschlagen. Gemäß der Nazi-Ideologie hatte sie keine gesunde Tochter zur Welt gebracht, das war eine Schande. Ingrid erzählt, wenn sie immer daran gedacht hätte, wie schlimm alles gewesen ist, wäre sie nicht die Frau geworden, die sie heute ist. „Es war eine harte Zeit, aber wir haben gelernt, mit wenig auszukommen und trotzdem glücklich zu sein.“

Für Wesam bedeutete das neue Leben in Deutschland nicht nur Sicherheit, sondern auch Herausforderungen. Für sie heißt positiv denken nicht darauf zu schauen, was sie verloren hat (ihre ganze Familie), sondern das zu schätzen, was sie noch hat. Wesam schafft, trotz aller Selbstzweifel, ihr Abitur. Immer wieder kümmert sie sich gemeinsam mit ihrer Schwester um ihren autistischen Bruder. „Ich wollte nicht nur überleben, ich wollte leben. Also habe ich angefangen, mir hier ein neues Leben aufzubauen.“

Alisa integrierte sich in Deutschland und schuf sich eine Zukunft. Für sie war es nicht einfach, aber sie hat gelernt, „dass Heimat nicht nur ein Ort ist, sondern dort, wo man sich wohlfühlt.“ Als Kind träumte sie davon, Schriftstellerin zu werden. In Deutschland hat sie dann Abitur gemacht und studiert. „Es gibt fast nichts in meinem Leben, das mich so glücklich gemacht hat, wie die Möglichkeit, studieren zu gehen.“

In Deutschland angekommen, musste auch Leen eine neue Sprache lernen und sich in einer ihr bisher fremden Kultur zurechtfinden. „Es war schwer, aber ich wollte nicht aufgeben. Ich wollte meinem Vater zeigen, dass ich stark bin.“ Inzwischen geht sie in die achte Klasse und hat viele Freunde. Unterstützt wird sie von der Betreuerin der freiwilligen Ganztagsschule. Mit ihrer Schwester und ihrer Mutter lebt sie seit Jahren im Flüchtlingsheim und wünscht sich ein neues Zuhause.

Nermina kämpfte anfangs noch mit ihren Ängsten. Sie sah die zerstörten Gebäude und die Armut in ihrer Heimat. Auch heute hat sie Probleme mit lauten Geräuschen und Flugzeugen – das erinnert sie an den Bombenalarm im Krieg. 2003 lernte sie ihren deutschen Mann kennen, der in Bosnien Urlaub machte. 2005 folgte sie ihm nach Deutschland. „Ich wusste, dass ich für meine Familie stark sein musste. Also habe ich angefangen, Deutsch zu lernen und mich zu integrieren.“  Sie hat sich ihr Leben aufgebaut und führt mit ihrem Mann ein Restaurant, trotzdem ist Deutschland nicht ihre Heimat geworden.

Nicht aufgeben, immer weitermachen, sich ein neues Leben aufbauen, das kostet unglaublich viel Kraft. Es ist aber auch der einzige Weg, wenn man nicht am Schmerz des Verlustes zerbrechen will. Für ausländische Geflüchtete ist es in Deutschland allerdings oft ein Weg voller Hindernisse.

Träume – Der Blick nach vorn

Trotz der schweren Vergangenheit haben die Frauen ihre Träume nie aufgegeben.

So sehr der Krieg ihr Leben auch geprägt hat: alle sechs Frauen sind dankbar für das, was sie haben, nutzen Chancen, die sich bieten, schmieden Zukunftspläne. Ob Traumjob, Traumreise oder Traumkonzert – das Leben hält auch wieder Schönes parat.

Leen hofft auf eine Zukunft in Frieden. „Ich möchte, dass meine Kinder in einer Welt ohne Krieg aufwachsen.“ Nermina sehnt sich nach ihrer alten Heimat. „Eines Tages möchte ich zurückkehren und beim Wiederaufbau meines Landes helfen.“ Carola wünscht sich, dass zukünftige Generationen nie wieder Krieg erleben müssen. „Ich hoffe, dass unsere Kinder niemals erleben müssen, was wir durchgemacht haben.“ Ingrid teilt diesen Wunsch. „Ich träume von einer Welt, in der niemand mehr fliehen muss.“ Wesam möchte, dass sich ihre Familie in Deutschland eine Zukunft aufbaut, ohne ihre Wurzeln zu vergessen. „Ich hoffe, dass meine Kinder sich nicht zwischen zwei Kulturen zerrissen fühlen müssen.“ Sie sieht ihre eigene Zukunft im gesundheitlichen oder sozialen Bereich, so ganz genau weiß sie das noch nicht. Alisa hat sich ein neues Leben aufgebaut und blickt nach vorne. „Mein größter Traum ist es, endlich Frieden mit der Vergangenheit schließen zu können.“

Die Geschichten dieser sechs Frauen sind Zeugnisse von Verlust, Stärke und Hoffnung. Sie zeigen, dass Krieg nicht nur auf Schlachtfeldern Opfer fordert, sondern auch in den Herzen jener, die ihn überleben, großen Schaden anrichtet. Und sie machen deutlich: Selbst nach den schlimmsten Zeiten kann ein neuer Anfang gelingen – wenn man an sich glaubt und an seinen Träumen festhält.

Wir als die Nachkriegsgenerationen, können uns Krieg und Zerstörung nur schwer vorstellen. Auch wenn uns der Krieg seit über 3 Jahren wieder nähergekommen ist, erleben wir ihn „nur“ in den Medien, nicht hautnah und erst recht nicht am eigenen Leib. Vielleicht sollten wir lernen, unser ruhiges Leben zu schätzen und aufhören, uns über Kleinigkeiten aufzuregen.

Mich haben die drei Filme sehr berührt, ist mir doch bewusst geworden, was für ein schönes, sicheres und sorgenfreies Leben ich führen kann. Dir will ich diese Dokumentationen ans Herz legen – schau sie Dir an und Du bekommst vielleicht auch einen anderen Blick auf Dein Leben.


Quellen

ARD-Mediathek

Erster Teil: Verlust (verfügbar bis 08.03.2027)

Zweiter Teil: Neuanfang (verfügbar bis 08.03.2027)

Dritter Teil: Träume (verfügbar bis 08.03.2027)