
Frauen in der Armutsfalle
Frauen verdienen im Beruf immer noch weniger als Männer in vergleichbaren Positionen. Zusätzlich managen Frauen den Haushalt, erziehen häufig die Kinder, sind stark in der Care-Arbeit und pflegen die Angehörigen. Ihr Risiko in der Alternsarmut zu landen, unterschätzen die meisten, zudem kümmern sich nur wenige um ihre Finanzen. Rund 70 Prozent der heute berufstätigen Frauen müssen damit rechnen, sich im Alter drastisch einschränken zu müssen.

Ein persönlicher Einblick
Das wird mir sehr wahrscheinlich auch so gehen. Ich werde dieses Jahr 63 – ok, der offiziellen Renteneintritt ist zwar erst 2029, aber will ich wirklich noch so lange arbeiten? Die Frage stelle ich mir immer wieder.
Ich habe sofort nach meinem Studium 1986 angefangen zu arbeiten – 30 Jahre festangestellt und in Vollzeit. Für „weibliche“ Verhältnisse habe ich immer gut verdient. Im Januar 2015 wurde ich entlassen – genau wie meine 2.999 Kollegen:innen. Ich war Anfang 50 und die freundlichsten Absagen bei der Suche nach einer neuen Stelle waren „Sie sind unflexibel!“ (heißt: sie haben zu viel Erfahrung und wir können sie nicht mehr nach unseren Wünschen formen) und „Sie sind überqualifiziert!“ (heißt: wir müssen ihnen ein gutes Gehalt zahlen und dazu sind wir nicht bereit).
Also habe ich mich selbständig gemacht und bin es bis heute. Der Wechsel von einer Festanstellung in die Selbständigkeit war ein Schritt vom sicheren und geregelten monatlichen Auskommen hin zu Monaten mit nur begrenzt planbaren und wechselhaften Umsätzen. Ich musste mich von meinem bis dato gewohnten Lebensstandard verabschieden und mich mit den neuen Gegebenheiten arrangieren. Vielleicht waren diese Einschränkungen gut für mich, denn so ist der Unterschied zur Rente nicht mehr so krass.
Trotz meines guten Verdienstes wird meine Rente aufgrund der vielen selbstständigen Jahre nicht sehr üppig ausfallen. Ich werde mich, wie viele Frauen, deutlich einschränken müssen. Für mich heißt das vor allem, meine schöne Wohnung mit Aussicht aufzugeben und mir eine kleinere und günstigere Wohnung zu suchen. Auch meine drei bis vier Urlaube im Jahr sind dann Geschichte. Eine Traumreise werde ich mir schon gar nicht mehr leisten können. Teure Hobbies und Restaurantbesuche sind dann auch nicht mehr finanzierbar.
Wenn das Geld nicht ausreicht – Die leise Bedrohung im Ruhestand
So wie es mir mit der Rente geht, geht es der Mehrheit der Frauen. Altersarmut ist kein abstraktes Phänomen, sondern eine Realität, in der sich immer mehr Frauen wiederfinden. Trotz jahrelanger Berufstätigkeit, guter Ausbildung und sorgfältiger Lebensplanung sehen sie sich am Ende ihres Arbeitslebens mit einem Rentenbescheid konfrontiert, der kaum zum Leben reicht. Traditionelle Rollenbilder, Teilzeit- bzw. Care-Arbeit und die Abwesenheit der eigenen finanziellen (Zukunfts-)Planung wirken sich über Jahrzehnte kumulierend aus.
Die ZDF-Reportage „Frauen in der Armutsfalle – Viel Arbeit, wenig Lohn“ begleitet vier Frauen auf ihrem individuellen Weg – von der Generation des Schweigens bis zur jungen Studentin, die bereits heute auf ihre finanzielle Zukunft setzt. Ihre Lebensgeschichten verdeutlichen: Altersarmut ist kein persönliches Schicksal, sondern ein gesellschaftliches Versagen.

Sprachlosigkeit als Stolperfalle
Die 68-jährige Hilde Fromm verkörpert eine Generation, die „über Geld nicht spricht“. Als gelernte Rechtsanwaltsgehilfin bekam sie nach der Geburt ihrer beiden Töchter nur noch Jobs zu Niedriglöhnen. Auch wenn sie immer hart gearbeitet hat, fehlte ihr das Bewusstsein für die langfristige Bedeutung der Rentenabsicherung. Finanzplanung war ein ungeliebtes Thema, Riesterrente, Fondssparpläne oder private Rentenversicherungen spielten in ihrem Leben keine Rolle. Heute, wo jeder eingehende Cent sorgfältig kalkuliert werden muss, spürt sie die Folgen dieses Schweigens. Der Gang zur Tafel wird für sie zur Routine, und regelmäßige Besuche bei der LichtBlick Seniorenhilfe e. V. ermöglichen ihr erst den wöchentlichen Einkauf. Die einst moderne Frau fühlt sich von einer Gesellschaft im Stich gelassen, die Rentengerechtigkeit predigt, aber keine wirksamen Mechanismen schafft, um Frauen wie ihr einen würdigen Ruhestand zu ermöglichen.

Die Schattenseiten der Teilzeit
Jana Schütze ist 51 Jahre alt und war lange Jahre als OP-Assistenz in einem städtischen Klinikum tätig. Mit der Geburt ihres zweiten Kindes entschied sie sich bewusst für eine Reduzierung ihrer Arbeitszeit, um Familie und Beruf besser vereinbaren zu können. Die neue Stelle als Sterilisationsassistentin finanzierte zwar die Bedürfnisse der inzwischen sechsköpfigen Familie, führte jedoch zu einem drastischen Einkommensverlust – und damit auch zu einem spürbar geringeren Rentenkonto. Zunächst empfand Jana es als Erleichterung, nicht mehr jeden Nachmittag im Klinikkittel zu verbringen und sich den Kindern und dem Haushalt zu widmen. Erst Jahre später wurde ihr bewusst, wie stark sich diese Entscheidung auf ihre Zukunft auswirkt. Teilzeit bedeutet nicht nur weniger Gehalt im Hier und Jetzt, sondern auch eine schleichende, aber stetige Verringerung der späteren Rentenbezüge. Dabei hatte sie mit dem Management des Haushaltes und der Erziehung ihrer vier Kinder eigentlich einen zweiten (Teilzeit-)Job. Wenn Jana heute ihren Rentenbescheid liest, empfindet sie vor allem eines: Sorge. Und die Erkenntnis, dass sie über Jahre hinweg Entscheidungen getroffen hat, ohne das langfristige Risiko zu erkennen. Erst die Beratung der Deutschen Rentenversicherung machte ihr deutlich, dass ihr ja die Jahre der Kindererziehung auf die Rente angerechnet werden und ihre Rente damit um einiges höher ausfallen wird als anfangs gedacht.

Wenn der Absturz zum Alltag wird
Mandy Mewes, 47 Jahre alt und ehemalige Bundeswehrsoldatin und Militärpolizistin, hat gelernt, sich durchzusetzen und klar zu sagen, was sie will. Nach der Bundeswehr arbeitete sie als Betriebsleiterin in einem Sicherheitsunternehmen. Sie besaß alles, was man sich unter einem komfortablen Leben vorstellt: einen gut dotierten Job, Dienstwagen, regelmäßige Urlaube und eine großzügige Wohnung. Doch die Geburt ihrer Tochter und die anschließende Trennung von ihrem Partner führten sie in eine Welt, die sie sich nie hätte ausmalen können. Der Unterhalt blieb aus, die gemeinsam aufgenommenen Kredite waren weiterhin zu bedienen. Als alleinerziehende Mutter macht sie sich als Personalberaterin selbständig – das ging allerdings schief.
Aus finanzieller Unabhängigkeit wechselte das Leben in eine existenzielle Bedrohung: Mandy rutscht ins Bürgergeld. Plötzlich muss sie als Mutter eines Kleinkindes von 1.200 € leben. Die Verzweiflung sitzt tief, denn Mandy ahnt: Wenn sie heute schon mit knapper Not über die Runden kommt, droht ihr im Alter völlige Verarmung. Die Reportage zeigt, wie wenig Rücklagen bei vielen alleinerziehenden Müttern möglich sind und wie schnell die dünne Fassade von Stabilität einstürzen kann. Heute gibt Mandy ihre Erfahrung aus der Bundeswehrzeit an junge Frauen weiter und bringt ihnen in einem Selbstverteidigungskurs bei, übergriffigen Männer Grenzen zu zeigen. Denn sie weiß, dass das Erlernte für die Frauen auch in anderen Lebenssituationen hilfreich sein kann. Trotz einer Weiterbildung sucht sie immer noch einen neuen Arbeitsplatz, denn sie würde sehr gerne wieder selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen.

Vorsorge als Akt der Selbstermächtigung
Die 22-jährige Studentin Laura Stuhldreier gehört zur ersten Generation, die scheinbar selbstverständlich Zugang zu Finanzinformationen und digitalen Anlagemöglichkeiten hat. Während ihre Großmütter und Mütter oftmals aus Unsicherheit oder Unwissenheit auf eine private Altersvorsorge verzichteten, hat sie bereits im ersten Semester begonnen, kleine Beträge in einen ETF-Sparplan zu investieren. Dank des Zinseszinseffekts und der langfristigen Wachstumsprognosen sieht sie ihre Strategie als Versicherung gegen eine ungewisse Rentenrealität. Für Laura ist klar, dass finanzielle Selbstbestimmung kein Thema ist, das man aufschiebt: Wer früh beginnt, profitiert später umso mehr. Mithilfe von Blogs, Podcasts und YouTube-Kanälen hat sie sich Wissen angeeignet, das ihr Umfeld oft belächelt, das für ihre Generation aber überlebenswichtig sein könnte. An der Universität Münster studiert sie Volkswirtschaftslehre und organisiert mit einigen Studienkolleginnen nebenbei einen Kurs für Frauen. Darin gibt sie ihr Wissen und ihre Erfahrungen über ihren Umgang mit der Altersvorsorge weiter.
Wege aus der Armutsfalle
Die Lebensgeschichten von Hilde, Jana, Mandy und Laura zeigen eines unmissverständlich: Ohne strukturelle Änderungen werden noch viele Frauen in eine Zukunft ohne ausreichende finanzielle Mittel rutschen. Es braucht eine neue Offenheit, damit über Geld gesprochen wird – von der Schule bis ins Berufsleben. Jobs, die heute noch als familienfreundlich gelten, müssen so gestaltet werden, dass sie die Rentenansprüche nicht ausdünnen. Arbeitgeber sind gefordert, transparente Lohnstrukturen zu etablieren und gleiche Bezahlung für alle Geschlechter zu garantieren. Die Politik wiederum muss gezielt Anreize setzen, damit Frauen unabhängig von ihrer Lebenssituation frühzeitig in die Altersvorsorge investieren können.
Solidarische Netzwerke und niedrigschwellige Beratungsangebote können betroffene Frauen unterstützen, finanzielle Stolperfallen zu erkennen und zu umschiffen. Nur wenn jeder Akteur – von der Einzelperson bis zur Gesellschaft – Verantwortung übernimmt, lässt sich die Armutsfalle endgültig schließen und das Leben und Altern in Würde und Sicherheit gewährleisten.
Einen Tipp habe ich noch aus persönlicher Erfahrung:
Es ist sehr hilfreich, frühzeitig einen Termin bei der Deutschen Rentenversicherung zu vereinbaren. Die Beratung ist kostenlos. So kann man sicher sein, dass auch alle anrechenbaren Zeiten, z. B. Studienjahre, Elternzeit, Kindererziehung, in einem Rentenbescheid berücksichtigt werden. Und vielleicht kommt dann ja die Überraschung und die Rente ist höher als ursprünglich gedacht.
Die ZDF-Reportage „Frauen in der Armutsfalle“ ist noch bis Januar 2030 verfügbar.
Wir haben uns bereits in einem älteren Beitrag mit der Gleichberechtigung der Frauen beschäftigt.
Weitere Informationen finden Sie bei der Lichtblick Seniorenhilfe e. V.
und der Deutschen Rentenversicherung.